Monografien und Herausgaben 2021 - 2022

Rukmini Barua. In the Shadow of the Mill. Workers‘ Neighbourhoods in Ahmedabad, 1920s to 200s. Cambridge: Cambridge University Press, 2022.
Dieses Buch zeichnet den sozialräumlichen Wandel der Arbeiterviertel von Ahmedabad im Laufe des 20. und frühen 21. Jahrhunderts nach, in dem die Stadt dramatische und beunruhigende Veränderungen erlebte. Ausgehend vom Arbeiterviertel als Maßstab sozialer Praxis wird die Frage des städtischen Wandels entlang zweier Untersuchungsachsen untersucht: dem Wandel lokaler politischer Konfigurationen und Formen politischer Vermittlung sowie den Verschiebungen in der Sozialgeografie des Viertels, die sich in den sich verändernden Eigentumsverhältnissen widerspiegeln.

Ute Frevert, Kerstin Pahl et al. Feeling Political. Emotions and Institutions since 1789. Cham: Palgrave Macmillan, 2022.Erschienen im Open Access
Sollten Emotionen in der Politik eine Rolle spielen? Diese Frage steht im Mittelpunkt öffentlicher Debatten über soziale Bewegungen, Populismus und Krieg. Elf MPIB-Forscher*innen haben gemeinsam untersucht, wie "Politik mit Gefühl" funktioniert. Anhand von Fallstudien zu verschiedenen Institutionen westlicher Gesellschaften von 1800 bis heute zeigen sie, wie politische Teilhabe davon abhängt, dass Emotionen mobilisiert, geteilt und kommuniziert werden.

Rukmini Barua, Alexandra Oberländer, Christa Hämmerle & Claudia Kraft (Eds.). (2021). Fluid feelings [Special Issue]. L'Homme: Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft, 32(2). 
Geschlecht und Emotion werden allzu oft in stereotypen Bildern gedacht. Vor einem solchen Hintergrund geht es in diesem Heft um Mehrdeutigkeiten und Abweichungen, das heißt um das dynamische Wechselspiel von Geschlecht und Emotion. Die Beiträge begreifen dabei weder Geschlecht noch Emotion als konsistente Kategorien, sondern als Phänomene in Bewegung, die immer wieder neu entstehen. Diese Fluidität kann zusätzlich Raum schaffen oder individuelles Handeln und Fühlen beschränken, was an Beispielen aus Zambia, der Türkei, Indien und Sowjetrussland sichtbar wird. Anhand von Archivquellen, Biografien, ethnografischem Material und Popkultur wird gezeigt, wie Emotionen Geschlechterkategorien verstärken oder in Frage stellen können, auf jeden Fall aber mehrdeutig, sprich fluide, machen. mehr

Margrit Pernau, Emotions and Temporalities (Elements in Histories and the Senses). Cambridge: Cambridge University Press, 2021.
Dieses Buch der Elements Serie bringt die Geschichte der Emotionen und der Zeitlichkeit zusammen und bietet eine neue Perspektive auf beides. Zeit wurde oft als eine Bewegung von der Vergangenheit in die Zukunft vorgestellt: Die Vergangenheit ist vergangen und die Zukunft noch nicht da. Nur die Subjekte der Gegenwart konnten Beziehungen zu anderen Zeiten herstellen, die Geschichte aufarbeiten und die Zukunft imaginieren und antizipieren. Angelehnt an die Betonung des porösen Selbst, das sich durch Emotionen konstituiert, die nicht innerhalb, sondern zwischen den Subjekten angesiedelt sind, plädiert dieses Buch für eine poröse Gegenwart, die offen ist für die Intervention von Geistern, die aus der Vergangenheit und aus der Zukunft kommen. Sowohl der Fluss zwischen den Zeiten als auch die Grenzen, die die Geister erst verbannen und dann ihre Existenz leugnen gilt es zu untersuchen. Die Emotionen sind das wichtigste Mittel, durch das sich die Subjekte in der Zeit verorten und verstehen.

Ute Frevert, Gefühle in der Geschichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2021.
Ute Frevert gab der Sozial- und Geschlechtergeschichte durch richtungsweisende Publikationen wichtige Impulse. Schon früh hat sie dabei auch die geschichtsbildende Kraft einzelner Gefühle herausgearbeitet und deren historische Gebundenheit untersucht. In ihrem neuesten Buch präsentiert sie eine sorgsam komponierte Auswahl von programmatischen Aufsätzen, anregenden Einzelstudien und bislang unveröffentlichten Vorträgen aus drei Jahrzehnten, die von der Macht der Gefühle in der Geschichte zeugen und den Reiz wie den Wert der Emotionsgeschichte belegen.

Ute Frevert / Pascal Eitler / Stephanie Olsen / Uffa Jensen / Margrit Pernau / Daniel Brückenhaus / Magdalena Beljan / Benno Gammerl / Anja Laukötter / Bettina Hitzer / Jan Plamper / Juliane Brauer / Joachim Häberlen, Wie Kinder fühlen lernten. Kinderliteratur und Erziehungsratgeber 1870-1970. Weinheim: Beltz Juventa, 2021.
Gefühle sind uns angeboren und waren immer gleich? Mitnichten. Erst in der Auseinandersetzung mit ihrer sozialen und kulturellen Umgebung lernen Kinder, wie und was man fühlen darf und wie man diese Gefühle ausdrücken kann.
Die 13 Autorinnen und Autoren zeigen, dass sich Gefühle und Vorstellungen vom „richtigen Fühlen“ in den vergangenen 150 Jahren massiv gewandelt haben. Dazu nutzen sie Kinderbücher und Ratgeber, denn Kinder beobachten nicht nur das Verhalten von Anderen. Sie orientieren sich auch an fiktiven Gestalten, die ihnen in Geschichten und Filmen begegnen.



Anja Laukötter, Sex - richtig! Körperpolitik und Gefühlserziehung im Kino des 20. Jahrhunderts. Göttingen: Wallstein 2021.
Sexualaufklärungsfilme versuchten über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg, Einstellungen und Verhalten der Menschen zu formen. Sie zirkulierten ins europäische Ausland, in die USA und zurück. Ihr visueller und erkenntnistheoretischer Referenzrahmen waren die Wissenschaften der Medizin, Pädagogik und Psychologie, was sich auch in der Zuschauer*innenforschung spiegelte. Im Namen der Gesundheit des Körpers wurden stets Gefühle eingesetzt, doch die emotionale Kultur veränderte sich. Im Ersten Weltkrieg sollte Wissen über Syphilis Angst erzeugen und so Soldaten von ungeschützten Sexualkontakten abhalten. Im Weimarer Kino wurde die Bevölkerung gegen eine „falsche Scham“ mobilisiert. Im Frontkino des Nationalsozialismus wurde die Angst durch ein unbedingtes Vertrauen ersetzt. Während der Besatzungszeit wurde Verständnis gefordert, gerade für die junge Generation. Diese sollte dann durch „positive Emotionen“ in der DDR zur „sozialistischen Persönlichkeit“ erzogen, in der BRD zur Selbstführung befähigt werden. Die AIDS-Bekämpfung ließ die Gefühle mit dem zu vermittelnden Wissen verschmelzen. So erzählt die Geschichte des Sexualaufklärungsfilms nicht nur von der Konstituierung, sondern auch von der Steuerung einer globalen Mediengesellschaft. Anja Laukötters Habilitation wurde mit dem Otto-Hintze-Preis der Claudia-und-Michael-Borgolte-Stiftung ausgezeichnet und ist nun als Buch erschienen.

Benno Gammerl, anders fühlen. Schwules und lesbisches Leben in der Bundesrepublik. Eine Emotionsgeschichte. München: Carl Hanser Verlag, 2021.
Von heimlichen Begegnungen bis zum Christopher Street Day, vom §175 bis zur Ehe für alle – die Wege schwulen und lesbischen Lebens in Deutschland waren steinig, und sie sind bis heute weniger geradlinig, als unsere Vorstellung von Liberalisierung vermuten lässt. Benno Gammerl legt die erste umfassende Geschichte der Homosexualität in der Bundesrepublik vor. Eindringlich beschreibt er die Lebens- und Gefühlswelten von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen seit den 1950er Jahren und lässt Männer und Frauen verschiedener Generationen zu Wort kommen. Ein lebensnaher und einsichtsreicher Blick auf eine spannende Geschichte, der Historikerinnen und Historiker bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben.
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