Geschichte der Gefühle

Haben Gefühle eine Geschichte? Und: Machen Gefühle Geschichte? Diese Fragen stehen im Zentrum des Forschungsbereichs, der im Januar 2008 seine Arbeit aufgenommen hat.
In engem Gespräch mit Psychologen und Erziehungswissenschaftlern, aber auch mit Ethnologen, Soziologen, Literatur-, Kunst- und Musikwissenschaftlern erkunden Historiker die Gefühlsordnungen der Vergangenheit. Sie gehen davon aus, dass Gefühle – Empfindungen und ihr Ausdruck – kulturell geformt und sozial erlernt werden. Was jemand in einer bestimmten Situation oder gegenüber einer anderen Person und Sache fühlen/zeigen darf und was nicht, ist gesellschaftlich normiert und damit historisch variabel.

Ein Hauptanliegen des Forschungsbereichs ist es, dieser Normierung und Variabilität auf die Spur zu kommen. Er nimmt verschiedene europäische und außereuropäische Gesellschaften in den Blick und untersucht sie auf ihre emotionalen Praktiken, Stile und Lexika. Zeitlich konzentriert sich die Analyse auf das 18., 19. und 20. Jahrhundert. Besondere Aufmerksamkeit erfahren Institutionen wie Familie, Recht, Religion, Militär, Staat u.a., denen ein prägender Einfluss auf die Ordnung der Gefühle zugeschrieben wird.

Ein weiteres Interesse richtet sich auf die Geschichtsmächtigkeit von Gefühlen. Gefühle, so die Annahme, motivieren Handlungen und steuern Entwicklungen. Sie sind und waren daher bevorzugter Gegenstand von Manipulation und Instrumentalisierung, in politischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen ebenso wie im privaten und zivilgesellschaftlichen Bereich.

An welche Gefühle wurde wann von wem mit welchem Ziel appelliert? Inwieweit trugen Gefühle zur Bildung und Auflösung sozialer Gruppen und Bewegungen bei? Solche (und andere) Fragen leiten einen Forschungsbereich an, der ein zentrales Element menschlicher Entwicklung historisiert und in seiner Abhängigkeit von Zeit und Raum analysiert.



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