Kollektive Intelligenz

Menschen treffen Entscheidungen selten alleine. Stattdessen nutzen sie die Informationen und das Wissen ihres sozialen Umfelds (d. h. anderer Personen), um bessere Entscheidungen zu treffen. Unter bestimmten Bedingungen kann das soziale Umfeld aber auch eine Gefahr darstellen, zum Beispiel wenn sich politische Meinungen radikalisieren oder wenn Massenpaniken entstehen. Die Fähigkeit, sich im sozialen Umfeld zurecht zu finden, ist eine Schlüsselkompetenz adaptiver Entscheidungsfindung in einer unsicheren Welt.

Verwendung von sozialen Informationen

Wir versuchen zu verstehen, wie Menschen Informationen ihres sozialen Umfelds nutzen. Wie und wann suchen Menschen nach sozialen Informationen (wem vertrauen sie)? Wie gehen Menschen damit um, wenn sich persönliche und soziale Informationen widersprechen? Wie verbreiten sich Informationen innerhalb von Gruppen? Wie sind diese Prozesse durch die Struktur sozialer Interaktionen und individueller Merkmale geprägt (Suchstrategien, Vertrauen, Expertise)? Um diese Fragen zu beantworten, kombinieren wir empirische Studien, in denen reales Verhalten beobachtet wird, mit theoretischen Simulationen, in denen das beobachtete Verhalten auf größere Gruppen projiziert wird. Außerdem nutzen wir kognitive Modellierungsverfahren, um besser zu verstehen, wie Menschen persönliche und soziale Informationen verknüpfen und wie Gruppen zu gemeinsamen Entscheidungen kommen.

Weisheit der Vielen

Eine effektive Methode bessere Entscheidungen zu fördern, besteht darin, die unabhängigen Entscheidungen unterschiedlicher Personen miteinander zu kombinieren. Mit Hilfe der „Weisheit der Vielen“ erhält man häufig bessere Ergebnisse als wenn man einzelne Personen berücksichtigt. Wir untersuchen, wann und warum verschiedene Arten Informationen zu bündeln zu einer besseren Gemeinschaftsleistung führt. Dafür kombinieren wir empirische Forschungsmethoden (Online-Studien, Laborstudien, virtuelle Realität, Menschenmassen) mit hochentwickelten theoretischen Modellierungsverfahren. Die Forschungsergebnisse wenden wir auch auf kritische Bereiche mit großer Tragweite an (medizinische Diagnostik, Verhalten von Menschenmassen z. B. bei Evakuierungen, geopolitische Prognosen), um Entscheidungsträgern bessere Entscheidungen zu ermöglichen, indem sie sich zusammenschließen und ihre Kräfte bündeln.

Literatur

  • El Zein, M., Bahrami, B., & Hertwig, R. (2019). Shared responsibility in collective decisions. Nature Human Behaviour3, 554-559.
  • Herzog, S. M., Litvinova, A., Yahosseini, K. S., Tump, A. N., & Kurvers, R. H. J. M. (2019). The ecological rationality of the wisdom of crowds. In R. Hertwig, T. J. Pleskac, T. Pachur, & the Center for Adaptive Rationality, Taming Uncertainty. Cambridge, MA: MIT Press.
  • Kurvers R. H. J. M., Herzog, S. M., Hertwig, R., Krause, J., Carney, P. A., Bogart, A., … Wolf, M. (2016). Boosting medical diagnostics by pooling independent judgments. Proceedings of the National Academy of Sciences,113, 8777–8782.
  • Moussaïd, M., Herzog, S. M., Kämmer, J. E., & Hertwig, R. (2017). Reach and speed of judgment propagation in the laboratory. Proceedings of the National Academy of Sciences114, 4117–4122.
  • Tump, A. N., Pleskac, T. J., & Kurvers, R. H. J. M. (2020). Wise or mad crowds? The cognitive mechanisms underlying information cascades. Science Advances6(29), Article eabb0266.
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