Die Neuordnung der Gefühle

Emotionen und gesellschaftlicher Wandel seit 1700


Die meisten, wenn nicht alle menschlichen Gesellschaften kennen "Gefühlsregeln": historisch und kulturell bedingte Normen und Erwartungen, die den Ausdruck von Emotionen steuern, ihre Angemessenheit beurteilen und Abweichungen sanktionieren.

Das Projekt untersucht, wie es zu verschiedenen Zeiten zu einer Neuordnung dieser Gefühle kommt und welche gesellschaftlichen Konsequenzen daraus erwachsen: wie geraten bestehende soziale Formationen ins Wanken, weil Einzelne oder Gruppen  anfechten, was als angemessenes emotionales Verhalten angesehen wird? Die zehn Beiträge beleuchten Situationen, in denen soziale Urteile aufeinanderprallen, in denen Werte durch Reibung und Bruch neu ausgerichtet werden. In Untersuchungen, die nah an der Lebenswirklichkeit der  historischen Akteur*innen sind, werfen sie ein neues Licht auf den Zusammenhang von historischem, sozialen und emotionalem Wandel.

Die Beiträge werden aller Voraussicht nach im ersten Halbjahr 2024 in einem Sonderheft erscheinen.

Dieses Sonderheft ist ein gemeinsam entwickeltes multidisziplinäres Werk, das Historiker, Soziologen und Ethnographen zusammenbringt. Die Fallstudien decken Europa, die USA und Japan ab und reichen vom späten achtzehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart. Sie stützen sich auf ein breites Spektrum von Quellen, darunter Ego-Dokumente, die Presse, ethnografische Forschungen und soziologische Interviews, doch das verbindende Thema ist die Rolle der Gefühle in unsicheren Zeiten.

Angesichts der Tatsache, dass die Welt des 21. Jahrhunderts von sozialen Brüchen geprägt ist, kommt dieses Sonderheft gerade zur rechten Zeit, um zu untersuchen, wie Menschen in Zeiten des Wandels emotional miteinander umgehen.


Die Beiträge


Abstoßender Ehrgeiz: Der Umgang der deutschen Presse mit den "Sportsgirls" in den 1920er Jahren

Abstoßender Ehrgeiz: Der Umgang der deutschen Presse mit den "Sportsgirls" in den 1920er Jahren

Helen Ahner

Die potenziellen emotionalen und körperlichen Effekte des Frauensports waren in den 1920er Jahren Gegenstände anhaltender öffentlicher Diskussionen. Vor allem die Wirkungen, die Wettkampf, Ehrgeiz und Leistungsstreben auf die „Sportsgirls“ hatten, wurden als Provokation etablierter weiblicher Verhaltens- und Gefühlsweisen wahrgenommen. Dieses Kapitel beleuchtet, wie Athletinnen vergeschlechtlichte Gefühlsregeln herausforderten und veränderten, und wie sich das in der Sportpresse niederschlug.

Zieleinlauf des Sprints über 60m bei den Weltspielen der Frauen im August 1922, © gallica.bnf.fr/ BnF
„Charakterköpfe“ Nr. 19 und 20. Gipsabguss nach Franz Xaver Messerschmidt, vor 1923.
Esc