Wir trauern um Wolfgang Edelstein

Abschied von angesehenem Schulreformer, Entwicklungstheoretiker und leidenschaftlichem Demokraten

3. März 2020
Am letzten Wochenende im Februar ist Wolfgang Edelstein, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, im Alter von 90 Jahren gestorben. „Wir nehmen Abschied von einem angesehenen Wissenschaftler, geschätzten Kollegen und liebenswürdigen Menschen, der mit seinen Ideen zur Gründung des Instituts beigetragen und dessen Entwicklung jahrzehntelang mitgestaltet hat. Im Namen des gesamten Kollegiums spreche ich seiner Familie unser herzliches Beileid aus“, sagt die Geschäftsführende Direktorin Ute Frevert.

1929 in Freiburg geboren, flüchtete er mit seiner Familie 1938 aus Nazi-Deutschland nach Island – eine Erfahrung, die sein Leben prägte. Nach dem Abitur in Reykjavik studierte Wolfgang Edelstein Linguistik, Philosophie, alte und neue Sprachen sowie Erziehungswissenschaften in Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland. 1962 wurde er in mittellateinischer Philologie an der Universität Heidelberg promoviert. Seit 1954 Lehrer an der Odenwaldschule, traf er dort auf Hellmut Becker und teilte mit ihm das Interesse für demokratische Bildungs- und Lernprozesse. Zusammen mit Jürgen Habermas und Alexander Kluge verfasste er ein Memorandum, das Becker als Ausgangspunkt für Verhandlungen mit der Max-Planck-Gesellschaft über die Gründung eines neuen Instituts für Bildungsforschung nutzte.

1963 folgte Edelstein Becker nach Berlin. 1973 wurde er Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft, acht Jahre später Direktor des Forschungsbereichs Entwicklung und Sozialisation. Den Schwerpunkt seiner Forschungen legte er darauf, die Wechselwirkungen zwischen sozialer Ungleichheit und kognitiver ebenso wie sozial-moralischer Persönlichkeitsentwicklung von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter interkulturell aufzuklären. Seine wissenschaftliche Tätigkeit wurde durch den Ehrendoktortitel in Sozialwissenschaften der Universität Island ebenso gewürdigt wie durch die Honorarprofessuren in Erziehungswissenschaft der Freien Universität Berlin und Universität Potsdam, deren Gründungsenator er zugleich war.

In den Jahren nach der Emeritierung 1997 engagierte er sich vor allem für Prozesse demokratischer Schulentwicklung und demokratie-affine Projekte, so etwa als Gründer und mehrjähriger Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik. In zahlreichen Abhandlungen beschäftigte er sich zudem mit Rechtsextremismus, insbesondere mit der rechtsextremen Jugendkultur. Bis zuletzt nahm er aktiv an entsprechenden Veranstaltungen des Instituts teil.   
Für sein Werk und außerordentliches Engagement wurde er unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, dem „Hildegard Hamm-Brücher-Förderpreis für Demokratie lernen und erfahren“ sowie dem Theodor-Heuss-Preis ausgezeichnet.

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