Intimität und Urbanität in Ost- und Zentralafrika im 20. Jahrhundert

Stephanie Lämmert

Mein Forschungsprojekt beschäftigt sich mit den Städten Ost- und Zentralafrikas als Orte, in die mobile afrikanische Frauen auf der Suche Unabhängigkeit strömten. Der regionale Fokus umfasst Zambia, Tanzania und die Demokratische Republik Kongo im Zeitraum von 1920 bis in die 1990er Jahre. Meine Quellen sind Publikationen aus Missions-, Industrie- und Regierungsarchiven sowie Zeitschriften, Gerichtsakten, und lebensgeschichtliche Interviews, mit einem besonderen Fokus auf den zentralafrikanischen Copperbelt und das urbane Tanzania.

Das frühe 20. Jahrundert im Copperbelt und in Ostafrika war geprägt von einer rasanten Urbanisierung. Die boomende Kupferindustrie im Copperbelt sowie ostafrikanische Küstenstädte, die zu koloniale Verwaltungs- und Geschäftszentren wurden, zogen Arbeitsmigrant*innen aus der ganzen Region an. Obwohl die meisten Arbeitskontexte nicht für Frauen angelegt waren und der koloniale Staat ihre Präsenz in den urbanen Zentren zu verhindern suchte, kamen dennoch viele Frauen in die Städte. Verheiratete Frauen folgten ihren Ehemännern in die Stadt, unverheiratete Frauen – auch solche, die es bleiben wollten – suchten nach neuen urbanen Formationen. Das Stadtleben gewährte neue Freiheiten, wie etwa der Möglichkeit eines frauengeführten Haushalts, informellem Gewerbe, Lohnarbeit und formalen Bildungsmöglichkeiten. Zudem lockten neue Formen der Freizeitgestaltung, Genussoptionen und romantische und sexuelle Möglichkeiten. Das Swahili Sprichwort kutafuta maisha, das Leben suchen, ist ein treffender Ausdruck dafür, was viele Frauen in die Stadt zog und wonach sie dort suchten.

Wie sind diese moderne Frauen, auch femmes libres oder Champions genannt, von männlichen und weiblichen Zeitgenossen seit den 1920ern dargestellt worden? Auf welche Art und Weise ist das Bild der „modernen Frau“ mit dem Diskurs von (christlicher) Respektabilität und Häuslichkeit verbunden? Welche Gefühle werden durch den oft männlichen Blick auf städtische Frauen offenbar, und was sollten Frauen fühlen, besonders diejenigen, die den Ansprüchen der Respektabilität nicht entsprachen? Wie spiegeln sich die zentralen Fragen von (Lohn)Arbeit und einer potentiellen wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen in der Art und Weise, wie die Gefühlsdiskurse funktionieren, wider?

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