Unstatistik des Monats: Stress in der Lehre?

26. April 2013

Zur "Unstatistik des Monats" April wählten die Urheber der gleichnamigen Aktion die Aussage: "Jeder vierte Azubi schmeißt seine Ausbildung hin". Das meldete beispielsweise "Spiegel Online" am vergangenen 15. April. Auch in vielen anderen deutschen Leitmedien, Zeitungen und Zeitschriften war im Zusammenhang mit dem deutschen System der dualen Berufsausbildung vom "Stress in der Lehre" zu lesen. Quelle der Information ist der Entwurf des Berufsbildungsberichts 2013 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB).

Tatsächlich schmeißt längst nicht jeder vierte Lehrling seine Ausbildung hin. Wahr ist: Jedes vierte Ausbildungsverhältnis wird vorzeitig aufgelöst. Laut einer BIBB-Befragung aus dem Jahr 2002 verbleiben jedoch mehr als 60 Prozent dieser Lehrlinge im Bildungssystem, sie nehmen beispielsweise eine andere Lehrstelle an, beginnen eine neue Ausbildung oder starten ein Studium.

Von den 25 Prozent der Auszubildenden, deren Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst wurde, wird noch nicht einmal jeder fünfte arbeitslos. Insgesamt wirft also nur etwa jeder zwanzigste Azubi seine Ausbildung hin in dem Sinne, dass er oder sie arbeitslos wird. Auch wenn die Befragung des BIBB aus dem Jahr 2002 stammt, ist nicht davon auszugehen, dass sich die Situation für Auszubildende, deren Vertrag vorzeitig gelöst wurde, bis heute bedeutend verändert hat.

Das deutsche System der dualen Berufsausbildung gilt weltweit als vorbildlich und wird vielfach als einer der wichtigsten Gründe für die vergleichsweise geringe deutsche Jugendarbeitslosigkeit angesehen. Mit derzeit 7,7 Prozent ist diese die niedrigste der ganzen EU.

Zur Aktion „Unstatistik des Monats“

Gemeinsam mit dem RWI-Vizepräsidenten Thomas Bauer (Rheinisch-Westfälisches-Institut für Wirtschaftsforschung) und dem Dortmunder Statistiker Walter Krämer (TU Dortmund) hat der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, im Jahr 2012 die Aktion „Unstatistik des Monats“ ins Leben gerufen. Mit dieser Maßnahme hinterfragen die Wissenschaftler jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Die Aktion will so dazu beitragen, mit statistischen Daten vernünftig umzugehen, in Zahlen gefasste Abbilder der Wirklichkeit korrekt zu deuten und eine immer komplexere Welt und Umwelt sinnvoll und allgemein verständlich zu beschreiben.

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