Was uns Angst macht
Die Furcht vor Gefahren ist eng mit dem sozialen Umfeld verknüpft: Risiken, die auf einen Schlag ein soziales Netzwerk von 100 Personen auslöschen können, wirken genauso beängstigend wie Ereignisse, die 1.000 Menschen töten können
Das Ausmaß der Angst vor Gefahren ist assoziiert mit der Anzahl der sozialen Kontakte, über die ein Mensch durchschnittlich verfügt. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie des Max-Planck-Instituts (MPI) für Bildungsforschung in Berlin in Zusammenarbeit mit der Universität von Granada in Spanien.
Demnach ist die Furcht vor Bedrohungen, die 100 Personen töten können, deutlich größer als die Angst davor, dass zehn Menschen sterben könnten. Das Ausmaß der Furcht änderte sich bei den Befragten jedoch nicht, wenn die vorgespiegelte Gefahr 100 oder 1.000 Menschen auslöschen konnte.
Dieser Effekt beruhte nicht darauf, dass die Studienteilnehmer 100 und 1.000 einfach als „viele“ Einheiten interpretierten, also in dieser Größenordnung nicht mehr hinreichend differenzierten: Der beklagte Verlust einer entsprechend höheren Geldsumme war in der Kontrollgruppe deutlich größer als beim niedrigeren Betrag. Die Begründung dieses Effektes sei vielmehr darin zu sehen, dass soziale Bezugsgruppen meist um die 100 Menschen umfassten, so die Autorinnen der Studie, Mirta Galesic (MPI für Bildungsforschung) und Rocio Garcia-Retamero (Universität von Granada).
„Wir sind bei unserer Untersuchung davon ausgegangen, dass der Zusammenhang zwischen der Angst und der typischen Anzahl an sozialen Kontakten evolutionär zu begründen sei: Der Verlust des eigenen sozialen Netzwerks konnte einst für den zurückbleibenden Menschen den Tod bedeuten“, meint Mirta Galesic. Da die diesbezügliche Literatur und die aktuell erhobenen Daten vermuten ließen, dass der Mensch in der Regel mit nicht mehr als 100 bis 150 Personen in aktivem Kontakt stehe, müsse der Verlust einer solchen Gruppe als am meisten bedrohlich empfunden werden, so die Wissenschaftlerin weiter.
Galesic: „Unsere Studienergebnisse stimmen mit diesen Annahmen überein und können somit die allgemeine Wahrnehmung und Bewertung von entsprechenden Risiken erheblich beeinflussen.“