Vorurteile über Bestechlichkeit anderer Nationen befördern Korruption

Korruptionsbekämpfung kann bei der Aufklärung über Vorurteile ansetzen, zeigt eine internationale Studie

28. April 2023

Ob Menschen andere bestechen oder versuchen, sie zu bestechen, hängt davon ab, aus welchem Land das Gegenüber kommt. Die eigene Nationalität spielt hingegen nur eine nachgelagerte Rolle. Das zeigt ein großangelegtes Experiment von Forschenden der Universität zu Köln, der Universität Amsterdam und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen.

Mit zunehmender Globalisierung interagieren immer mehr Menschen über Ländergrenzen hinweg. Bisher konzentrierte sich die Verhaltensforschung jedoch vor allem auf die Korruption innerhalb einzelner Länder. Die neue Studie untersuchte nun Korruption in einer hochkontrollierten, internationalen Umgebung. Dazu nahmen in der Hauptstudie mehr als 5.500 Menschen aus 18 Ländern online an einem Bestechungsspiel teil. Sie schlüpften mit ihrer jeweiligen Nationalität in die Rollen von Bürger*innen und Beamt*innen. Die Bürger*innen mussten entscheiden, ob sie eine Lizenz teuer auf offiziellem Wege kauften oder die zuständigen Beamt*innen bestachen, um die Lizenz günstiger zu erhalten und um am Ende des Experiments mehr Geld ausgezahlt zu bekommen. Die Beamt*innen konnten das Bestechungsgeld entweder annehmen oder ablehnen. Insgesamt ging es auch darum, dass es der Gesellschaft schadet, Bestechungsgeld anzubieten oder anzunehmen: Jedes mal wenn zwei Teilnehmende sich auf eine Schmiergeldzahlung einigten, hatte dies Kosten für die Gesellschaft. In der Studie wurde dann weniger Geld an eine weltweit tätige Nichtregierungsorganisation gespendet, die sich für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzt.

Insgesamt mussten die Bürger*innen 18 Mal entscheiden, ob sie bestechen – einmal für jede Nation in der Stichprobe. Anschließend sollten sie schätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Beamt*innen das Bestechungsgeld annehmen. Bei einer weitgehend zutreffenden Einschätzung bekamen sie einen Bonus ausgezahlt. In einem weiteren Schritt tauschten die Teilnehmenden die Rollen. In der nächsten Runde mussten sie sich entscheiden, ob sie Bestechungsgelder annehmen würden.

Das Ergebnis: Bürger*innen aller Nationen boten Beamt*innen aus Ländern mit einem Ruf für Korruption überdurchschnittlich mehr Bestechungsgelder an. Indische Beamt*innen bekamen zum Beispiel fast doppelt so oft Bestechungsgelder angeboten als kanadische. „Unsere Studie zeigt, dass die Nationalität der Interaktionspartner und die damit verbundenen Erwartungen einen größeren Einfluss auf das Anbieten von Bestechungsgeldern haben als die eigene Nationalität“, sagt Bernd Irlenbusch, Professor für Unternehmensentwicklung und Wirtschaftsethik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied des Exzellenzclusters ECONtribute, das zu Märkten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft forscht.

Allerdings über-, beziehungsweise unterschätzten die Teilnehmenden die Annahmequoten: Beamt*innen aus Ländern mit dem Ruf, korrupt zu sein, ließen sich seltener auf die Bestechungsversuche ein, als die Bürger*innen erwarteten. Gleichzeitig unterschätzten sie, wie häufig sich Beamt*innen aus Ländern, die keinen korrupten Ruf haben, das Geld annahmen. So erwarteten die Teilnehmenden im Schnitt zum Beispiel, dass 42 Prozent der US-Amerikaner*innen in ihrer Rolle als Beamt*innen Bestechungsgelder annehmen würden, während diese tatsächlich in 56 Prozent der Fälle bestechlich waren. Unter russischen Beamt*innen im Spiel lag die Annahmequote mit 33 Prozent deutlich unter dem geschätzten Wert von 47 Prozent.

Die Ergebnisse zeigen ein grundsätzliches Muster menschlichen Verhaltens: „Menschen machen ihr Verhalten häufig davon abhängig, wie sie erwarten, dass es bei anderen üblich ist“, sagt Irlenbusch. Um Korruption international zu bekämpfen, sei es sinnvoll, Vorurteile über die Bestechlichkeit bestimmter Nationen abzubauen.

„Wir brauchen mehr Bewusstsein dafür, dass selbst Menschen aus vermeintlich korruptionsfreien Kulturen bereitwillig Schmiergelder anbieten, wenn sie glauben, das ihr gegenüber sie annimmt. Das ist also deutlich dynamischer, als die alte Annahme,  dass manche Kulturen korrupt sind und andere nicht“, ergänzt Nils Köbis, korrespondierender Autor der Studie und Senior Researcher am Forschungsbereich Mensch und Maschine des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Er forscht zu Korruption, (un-)ethischem Verhalten und sozialen Normen. „Aufklärung über solche falschen Stereotype kann also zur Korruptionsreduktion beitragen. In anderen Studien finden wir, dass Informationen über das nicht korrupte Verhalten anderer, Menschen dazu bewegen können, sich selber weniger korrupt zu verhalten“, so Köbis weiter.

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