Wettbewerbsfieber: Die meisten Menschen überschätzen ihre Selbstkontrolle

Psychologische Studie untersucht Verhalten in Wettbewerben und Auktionen

Würden Sie mehr als zehn Euro für einen Zehn-Euro-Schein bezahlen? Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls nicht, solange Sie nicht im Wettbewerbsfieber sind. Denn im Wettbewerbsfieber zahlen die meisten einen zu hohen Preis, selbst wenn sie sich zuvor Grenzen setzten. Warum das so ist, zeigt eine Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und der IESE Business School in Barcelona, die in der Fachzeitschrift Journal of Behavioral Decision Making erschienen ist.

Wer einen Wettbewerb oder eine Auktion für sich entscheidet, geht daraus nicht zwangsläufig mit Gewinn hervor. Es kann auch passieren, dass die eingesetzten Ressourcen den Wert des Gewinns übertreffen – so zum Beispiel beim Wettlauf um Patente, wenn mehrere Organisationen an der Entwicklung einer neuen Technologie arbeiten, aber nur der Schnellste das Patent für sich beanspruchen kann. Wenn das Wettbewerbsfieber einsetzt, sind viele nicht mehr in der Lage, wirklich rational zu reagieren und der Strategie zu folgen, die sie sich mitkühlem Kopf zurechtgelegt hatten. Sie unterschätzen den emotionalen Zustand und dessen Einfluss auf die Situation – ein Phänomen, das in der Literatur als „hot-cold empathy gap“ bekannt ist. Gleichzeitig kann es vorkommen, dass die Bieter während der Auktion in ein Eskalationsverhalten verfallen, bei dem sie dazu tendieren, sich gegenüber einer früher getroffenen Entscheidung verpflichtet zu fühlen. In dieser Situation wollen sie den Wettbewerb unbedingt gewinnen und sind häufig bereit, jeden Preis zu zahlen, selbst wenn sie über neue Informationen verfügen, die eine andere Entscheidung nahelegen.

Doch wie kommt es dazu, dass Menschen in dieses Verhalten verfallen und wie ließe sich das verhindern? Diese Fragen haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und der IESE Business School in Barcelona untersucht.

Die Wissenschaftler rekrutierten dafür insgesamt 141 Probanden in der Schweiz, die Auktionsexperimente im Labor absolvierten. Dabei gab es mehrere Probandengruppen, darunter Studenten und leitende Angestellte, die durch ihre berufliche Position bereits Erfahrungen in einem kompetitiven Umfeld haben. Darüber hinaus nahmen an der Studie 1.194 erwachsene US-Amerikaner teil, die onlinebasierte Auktions- und Eskalationsexperimente durchliefen. Für alle Probanden galt, dass sie unter Zeitdruck handeln mussten, wodurch das Eskalationsverhalten provoziert wurde. Sowohl im Labor als auch online wurde von den Wissenschaftlern das „Dollarauktionspiel“ – im Englischen „dollar auction“ – eingesetzt, welches auch in Managerseminaren als Lehrspiel genutzt wird. Außerdem wurde für das Eskalationsexperiment das „Feiglingsspiel“ – im Englischen „chicken game“ – genutzt.

Da die Wissenschaftler jedoch herausfinden wollten, wie unüberlegte Entscheidungen verhindert werden können, veränderten sie die Spielbedingungen in den Experimenten etwas. So untersuchten sie, ob es einen Einfluss hatte, wenn a) die Ergebnisse anderer Spieler bekannt waren und sie aus deren Erfahrungen lernen konnten, oder b) sich die Spieler eine selbstgesetzte Höchstgrenze setzten, oder ob es sich auswirkte, wenn c) es mehrere Runden gab, aus denen gelernt werden konnte. Eine weitere Spielbedingung war, erst ein Auktionsexperiment als Training für ein Eskalationsspiel zu spielen, um zu sehen, ob die daraus gewonnenen Erfahrungen auch auf andere Spiele übertragbar sind.

„Die Ergebnisse belegen, dass die Lernerfolge am größten sind, wenn die Probanden das Auktionsexperiment zum zweiten Mal machten oder wenn sie von den Erfahrungen anderer lernen konnten. Diese Probanden stiegen eher aus den Auktionen aus und verloren weniger Geld“, sagt Sebastian Hafenbrädl, Assistant Professor of Managing People in Organizations an der IESE Business School. Überraschend war für die Wissenschaftler, dass es den Probanden nicht half, sich auf die Situation vorzubereiten, wie beispielsweise durch die Festlegung eines eigenen Höchstgebots. Sie schätzten ihr Verhalten vorab falsch ein und hielten sich am Ende nicht an das, was sie vorab und rational überlegt entschieden hatten. Entgegen bestehender Theorien half diese Art der Vorbereitung nicht, das Eskalationsverhalten zu mindern. Im Gegenteil: Im Schnitt steigerte sich das Eskalationsverhalten. Außerdem konnte belegt werden, dass im Auktionsexperiment gesammelte Erfahrungen auch auf andere Spiele übertragbar sind.

„Es hat sich gezeigt, dass die meisten ihre Selbstkontrolle überschätzen und erst im Nachhinein verstehen, was passiert ist. Für Menschen, die zum Beispiel berufsbedingt in solche Eskalationssituationen kommen können, ist es deshalb sinnvoll, erste Erfahrungen in einem geschützten Raum zu sammeln, wie zum Beispiel in Seminaren, statt gleich Geldeinbußen zu riskieren“, sagt Jan K. Woike, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

Originalstudie
Hafenbrädl, S., Woike, J. K. (2018) Competitive escalation and interventions. Journal of Behavioral Decision Making. doi:10.1002/bdm.2084

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