Banker*innen sind besser als ihr Ruf

Replikationsstudie zeigt, die Bankenkultur ist divers

14. November 2019

Sechs Jahre nach der weltweiten Bankenkrise 2008 kam eine Studie zu dem Ergebnis, dass die Arbeitskultur in Banken zu mehr Unehrlichkeit führt, während dies in anderen Branchen nicht der Fall ist. Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, der London School of Economics und des Massachusetts Institute of Technology haben diese Studie in mehreren Ländern wiederholt, um ihre Allgemeingültigkeit zu prüfen. Jedoch ließ sich das Ergebnis nicht bestätigen. Die Studie ist im Journal Nature veröffentlicht.

Die Bankenbranche hat seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 keinen guten Ruf. Diverse Skandale und Negativschlagzeilen prägten in den Folgejahren das Bild der angeblich gierigen und unehrlichen Bankmitarbeiter*innen. Dieses Bild stützte auch eine Schweizer Studie zur „Unternehmenskultur und Unehrlichkeit im Bankensektor“, die 2014 im Journal Nature erschien. Die Autoren untersuchten darin, ob die Arbeitskultur im Bankensektor die Proband*innen dazu veranlasst, sich unehrlicher zu verhalten, um Gewinne innerhalb eines Experiments zu maximieren. Das zentrale Ergebnis damals lautete: Banker*innen verhalten sich unehrlicher, wenn sie zuvor zu ihrem Beruf befragt wurden, während dies auf Studienteilnehmer*innen aus anderen Branchen nicht zutrifft. Daraus schlossen die Autoren, dass die Unternehmenskultur der Banken hinter dem gezeigten Verhalten steht. Die Ergebnisse erfuhren weltweit große mediale Resonanz und gesellschaftliche Beachtung.

Doch stehen die 200 Banker*innen aus der 2014 publizierten Originalstudie repräsentativ für alle Banker*innen weltweit, auch wenn das Experiment nur in einem Land stattfand? Und ließe sich diese Studie mit gleichem Ergebnis in verschiedenen Ländern wiederholen? Das fragten sich Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, der London School of Economics und des Massachusetts Institute of Technology und führten das Experiment erneut mit 1.282 Studienteilnehmer*innen in fünf verschiedenen Stichproben im asiatisch-pazifischen Raum, im Nahen Osten und in Europa durch. Die Stichproben umfassten 768 Banker*innen sowie weitere Teilnehmer*innen anderer Berufsgruppen. „Da der Bankensektor eine so zentrale Rolle im Weltwirtschaftssystem spielt, wollten wir wissen, ob die Bankenkultur wirklich generell problematisch ist“, sagt Zoe Rahwan, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

In dem Studienaufbau, den die Wissenschaftler*innen wiederholten, hatten die Proband*innen die Möglichkeit, unerkannt zu lügen und dadurch mehr Geld zu bekommen. Innerhalb der Stichproben gab es jeweils zwei Gruppen: Die eine wurde vor Beginn des eigentlichen Experiments zu ihrer beruflichen Identität, die andere zu ihren Freizeitaktivitäten befragt. Anschließend wurden sie gebeten, in mehreren Durchläufen eine Münze zu werfen und das Ergebnis online einzugeben – dabei waren sie unbeobachtet. Vor jedem Durchlauf wurden sie darüber informiert, ob Kopf oder Zahl Gewinn bedeutete. Somit konnten sie durch Lügen ihre Ergebnisse verbessern. Um herauszufinden, ob in einer Gruppe gelogen wurde, betrachteten die Wissenschaftler*innen das Gesamtverhältnis von Gewinn zu Verlusten in den Gruppen. Mit Blick auf die statistische Wahrscheinlichkeit sollte dies bei etwa fünfzig zu fünfzig liegen, solange niemand lügt. Behauptet eine Gruppe jedoch, weitaus mehr Gewinne zu erzielen, lässt das auf Lügen schließen.

Im Gegensatz zur Originalstudie konnte das Team keine signifikanten Unterschiede im Verhalten der Banker*innen finden – ganz gleich, ob sie zuvor zu ihrem Beruf oder ihren Freizeitaktivitäten befragt wurden. Dies zeigt, dass sich die Ergebnisse von 2014 nicht verallgemeinern lassen. „Wir fanden auch Belege, die das Stereotyp der ‚gierigen Banker*innen‘ infrage stellen. So zeigten sie keine Unterschiede in ihrer Unehrlichkeit, wenn es darum ging, dass sie die Belohnung für sich oder für gemeinnützige Zwecke gewinnen konnten“, sagt Barbara Fasolo, Associate Professor of Behavioural Science an der London School of Economics.

Ähnlich wie in der Originalstudie untersuchte das Team zudem die Erwartungen der Bevölkerung an die Ehrlichkeit von Banker*innen. Während die ursprüngliche Studie zu dem Ergebnis kam, dass Banker*innen in der Bevölkerung als unehrlicher wahrgenommen werden als zum Beispiel Ärzt*innen, fand die neue Studie dafür keine Belege. Dies unterstützt die Annahme, dass sich die Bankenkultur von Land zu Land unterscheidet.

Die Studie konnte die Ergebnisse der Originalstudie, die nur in einem Land durchgeführt wurde, nicht replizieren. Als einen Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse vermuten die Autor*innen, dass nach der negativen Berichterstattung zur Studie 2014 nur Banken an der aktuellen Studie teilnahmen, die glaubten, eine gute Unternehmenskultur zu haben. Von den ursprünglichen 27 angefragten Finanzinstituten – darunter 14 Investmentbanken – waren nur 2 Geschäftsbanken dazu bereit, teilzunehmen. Diese Stichprobenverzerrung machte eine gründlichere Überprüfung des ursprünglichen Ergebnisses schwierig. „Infolge der globalen Finanzkrise wird von politischen Entscheidungsträgern immer noch die Sorge über die bestehende Bankenkultur zum Ausdruck gebracht. Unsere empirischen Ergebnisse zeigen, dass dies nicht so leicht verallgemeinerbar ist, sondern es zwischen Unternehmen und Ländergrenzen erhebliche Unterschiede in der Bankenkultur geben kann“, sagt Zoe Rahwan.

Originalstudie
Cohn, A., Fehr, E., & Maréchal, M. A. (2014). Business culture and dishonesty in the banking industry. Nature, 516 (7529), 86–89. doi:10.1038/nature13977

Replikationsstudie
Rahwan, Z., Yoeli, E., & Fasolo, B. (2019). Heterogeneity in banker culture and its influence on dishonesty. Nature. doi:10.1038/s41586-019-1741-y

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