Das Volk des Marktes
Massenmedien und die Entstehung des neoliberalen Populismus in den USA und Großbritannien, 1940–1990
Sören Brandes (Dissertationsprojekt)
Im letzten Jahrzehnt hat es zahlreiche Versuche gegeben, den Aufstieg des Neoliberalismus zu erklären, auch von historischer Seite. Arbeiten von Daniel Stedman Jones, Angus Burgin und Philip Mirowski haben ein transatlantisches Netzwerk von Akteuren freigelegt, die seit den 40er Jahren gezielt darauf hinarbeiteten, neoliberale Logiken kulturell und politisch durchzusetzen. Mein Projekt knüpft an diese Literatur an, betrachtet das neoliberale Netzwerk aber von einer neuen, bisher unbeleuchteten Seite: der medienhistorischen.
Das Projekt untersucht die Mediengeschichte des Neoliberalismus in transatlantischer Perspektive. Im Zentrum steht dabei nicht wie bisher die Frage, was Neoliberale sagten, sondern wie die Botschaft des Neoliberalismus verpackt wurde: Mit welchen medialen Formaten, mit welchen rhetorischen, stilistischen und audiovisuellen Techniken wurde neoliberales Wissen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitet? Welche Auswirkungen hatte der Einsatz unterschiedlicher Medien (z. B. Zeitungsartikel, Romane, Fernsehserien oder Talkshowauftritte) auf die inhaltliche Argumentation der Neoliberalen? Die Dissertation soll diese Entwicklung auf breiter Quellenbasis untersuchen: Bücher wie Friedrich Hayeks Road to Serfdom (1944) und Romane wie Ayn Rands Atlas Shrugged (1957) werden herangezogen, aber auch Fernsehsendungen wie Milton Friedmans Free to Choose (1980).
In der Geschichte des Neoliberalismus, so die These, lässt sich eine Verschiebung hin zu populäreren Medien beobachten, die nicht zufällig mit der Formierung einer an ein breites Publikum gerichteten Botschaft koinzidiert. Der sich dabei herausbildende Marktpopulismus zeichnete den Staat als einen mächtigen Mechanismus von „oben“, dem der Markt als Repräsentant des „kleinen Mannes“ entgegengestellt wurde. Mit den Medien und dem adressierten Publikum veränderte sich so die Botschaft des Neoliberalismus: Aus einem in theoretisch-philosophischen Traktaten verbreiteten Programm für Intellektuelle wurde ein Arsenal von einfachen Bildern, Metaphern und Narrativen, das sich direkt an breite Bevölkerungsschichten wandte und relevante Lösungen für die Probleme der Welt ebenso wie das alltägliche Leben des Einzelnen anbot. Dieser Wandel lässt sich ohne einen medienhistorischen Zugriff schlechterdings nicht verstehen.