Unstatistik des Monats: 5-Jahre-Überlebensraten und „Pink Ribbons“
Die Unstatistik des Monats Oktober 2014 ist die Nicht-Information im „Brustkrebsmonat“ Oktober. Denn wieder einmal erhalten Frauen rosa Schleifchen („Pink Ribbons“) statt Aufklärung.
Die Österreichische Krebshilfe startete eine „Informationsoffensive“ ohne jede Information über Nutzen und Schaden des Mammographie-Screenings, aber mit dem Logo des Kosmetikkonzerns Estée Lauder, welches eine exklusive Pink Ribbon Edition mit Pure Color Lipstick in der Farbe Dream Pink vermarktet. Die Krebsliga Schweiz warb mit einem begehbaren Brustmodell und einem Pink Nail-Day. Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ präsentierte Kate Moss mit einer rosa Schleife am rosa Lingerie-Set und Delta Airlines eine Crew in pinkfarbenen Uniformen, die pinkfarbene Limonade und Kopfhörer verkauft. Und die Football-Spieler der amerikanischen National Football League (NFL) hatten rosa Schleifchen auf ihren Helmen. Statt Fakten gab es Ratschläge von Berühmtheiten.
Dabei könnte man den Nutzen einfach erklären, wie wir in der „Unstatistik des Monats“ im Oktober 2013 ausführlich berichteten. Randomisierte Studien mit über 500 000 Frauen haben gezeigt: Von je 1 000 Frauen im Alter 50+, die nicht am Screening teilnahmen, starben nach zehn Jahren etwa 5 an Brustkrebs; bei Frauen, die teilnahmen, waren es 4. In anderen Worten, 1 000 Frauen müssen am Screening teilnehmen, damit nach 10 Jahren eine weniger an Brustkrebs stirbt. Wenn überhaupt, wurde dies in den Medien als „20-prozentige Reduktion“ (von 5 auf 4) präsentiert, oft aufgerundet auf 30 Prozent. Über den Schaden, wie beispielsweise die Anzahl unnötiger Brust-Operationen, erfuhr so gut wie keine Frau etwas.
Was hat sich geändert? Im Oktober 2014 haben wir keine irreführenden 20 oder 30 Prozent mehr gesehen, was eine erfreuliche Nachricht ist. Dafür führte man Frauen mit einem anderen Trick in die Irre: 5-Jahre-Überlebensraten. Die Deutsche Krebshilfe hatte diese bereits 2009 aus ihren Blauen Ratgebern entfernt, weil sie über Sterblichkeit nichts aussagen. Das ist nicht schwer zu verstehen. Denken Sie an 100 Menschen, die alle im Alter von 70 Jahren an invasivem Krebs sterben. Wenn diese nicht zum Screening gehen, wird der Krebs spät entdeckt, sagen wir mit 67. Die 5-Jahre-Überlebensrate ist dann Null. Gehen sie zum Screening und wird der Krebs früh entdeckt, sagen wir im Alter von 60, dann steigt die 5-Jahre-Überlebensrate auf 100 Prozent! Dieses Beispiel erklärt, warum Überlebensraten nichts darüber aussagen, ob man länger lebt. Studien zeigen entsprechend, dass Verbesserungen in Überlebensraten nicht mit Verbesserungen in Sterblichkeitsraten einhergehen. Sterblichkeitsraten, wie die oben genannte 1 in 1 000, sind daher ehrliche Information über den Nutzen des Screenings.
Trotzdem wurde auch in diesem Jahr wieder mit irreführenden Überlebensraten für das Screening geworben. Der Nordkurier zitierte unter dem Titel „Liz Hurley ruft Frauen zu Brustkrebs-Kontrollen auf“ im Oktober die britische Filmschönheit Liz Hurley mit der Aussage, 95 Prozent der Brustkrebsfälle könnten geheilt werden, wenn die Krankheit rechtzeitig erkannt werde. Die nachrichten.at berichtete von einer „Heilungsrate, die mehr als 90 Prozent beträgt“. Selbst die Kooperationsgemeinschaft Mammographie führt nun Frauen mit diesem Trick hinters Licht. Unter der Überschrift „Mammographie-Screening auf Erfolgskurs – erstmalig Auswertung für ganz Deutschland“ zitiert sie auf ihrer Website ihren Sachverständigen Alexander Katalinic mit den Worten: „Wir diskutieren viel über die Brustkrebsmortalität. Dabei ist die 5-Jahresüberlebensrate in den vergangenen Jahren stetig gestiegen auf inzwischen 87 Prozent.” Im Klartext: diese 87 Prozent sind das gleiche wie 1 in 1 000, also 0,1 Prozent.
So geht Aufklärung für Frauen. Eine europaweite Studie, erschienen im Journal of the National Cancer Institute, zeigte entsprechend, dass die deutschen Frauen am wenigsten über den Nutzen des Mammographie-Screenings Bescheid wissen. Am aufgeklärtesten waren die Russinnen – nicht weil sie mehr Information erhalten, sondern weniger irreführende Information. Frauen und Frauenverbände sollten endlich die Pink Ribbons zerreißen und ehrliche Information verlangen.