Unstatistik des Monats: Keine Angst vor Cholera

27. Juli 2012

Horrormeldungen wie „Cholera kann über Ostsee nach Deutschland kommen“ (Die Welt), „Gefährliche Keime in der Ostsee“ (Frankfurter Rundschau) oder „Klimawandel: Gefährliche Keime breiten sich in Ostsee aus“ (Hamburger Abendblatt) haben in den vergangenen Tagen deutsche Zeitungsleser erschreckt. Gerd Gigerenzer vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Walter Krämer von der TU Dortmund und Thomas Bauer vom Rheinisch-Westfälischen-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen haben das vermeintliche Risiko im Rahmen ihrer gemeinsamen Initiative „Unstatistik des Monats“ unter die Lupe genommen.

Eine aktuell im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlichte Studie hat einen positiven Zusammenhang zwischen der Erwärmung der Ostsee und dem Vorkommen des Bakteriums Vibrio gefunden, das unter anderem auch Choleraerkrankungen auslöst. Wie die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst anmerken, kann diese Korrelation auf einer Vielzahl anderer Ursachen beruhen, beispielsweise einem verbesserten Meldesystem für Cholera.

Blitzschlag fünfmal wahrscheinlicher als Cholerainfektion
Dass der Zusammenhang zwischen Meerestemperatur und Krankheitsfällen tatsächlich zutrifft, ist durchaus möglich. Selbst dann jedoch sei kein Grund zur Beunruhigung vorhanden, stellen die Akteure der "Unstatistik" fest: Nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts wurden von 2001 bis 2010 lediglich 15 Cholerafälle gemeldet. Sollte sich diese Zahl, wie die Urheber der genannten Studie befürchten, in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln, ergäbe das im Durchschnitt künftig drei Cholerafälle pro Jahr. Damit betrüge die Wahrscheinlichkeit eines Cholerafalls in Deutschland immer noch weniger als ein Fünftel der Gefahr, vom Blitz erschlagen zu werden. Obwohl sich die Zahl der Cholerafälle relativ gesehen verdoppeln würde, bliebe ihre absolute Häufigkeit verschwindend gering.

Das Fazit zur Unstatistik des Monats Juli lautet entsprechend: viel Lärm um (praktisch) nichts. Man kann weiterhin beruhigt in der Ostsee baden.

Zur Aktion „Unstatistik des Monats“

Gemeinsam mit dem Bochumer Ökonomen Thomas Bauer (RWI für Wirtschaftsforschung) und dem Dortmunder Statistiker Walter Krämer (TU Dortmund) hat der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, im Jahr 2012 die Aktion „Unstatistik des Monats“ ins Leben gerufen. Ziel der Maßnahme ist es, monatlich sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen zu hinterfragen. Die Aktion will so dazu beitragen, mit statistischen Daten vernünftig umzugehen, in Zahlen gefasste Abbilder der Wirklichkeit korrekt zu deuten und eine immer komplexere Welt und Umwelt sinnvoll und allgemein verständlich zu beschreiben.

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