Unstatistik des Monats: Gen-Mais tötet
Als Unstatistik des Monats September deklarieren die Urheber der gleichnamigen Aktion die Meldung, wonach genmodifizierter Mais Krebs erzeuge.
Ein Wissenschaftlerteam um den Franzosen Gilles-Eric Séralini hatte berichtet, dass bei Ratten, die über einen längeren Zeitraum mit genmodifiziertem Mais gefüttert worden waren, schwere gesundheitliche Schäden aufgetreten wären. Insbesondere starben diese Ratten häufiger als andere an Krebs. Damit sei die genetische Modifikation des Futters als Verursacher von Krebs identifiziert.
Diese Meldung wurde recht unkritisch als „alarmierend“ in vielen deutschen Medien verbreitet, und drei französische Minister forderten die EU angeblich zum Handeln auf. Aus Sicht der Statistik aber ist diese Meldung nur als Unfug zu bezeichnen. Denn die Anzahl von Ratten, die binnen eines gegebenen Zeitraums an Krebs versterben, schwankt sehr stark. Und die französische Forschergruppe hatte nur zehn Tiere in der Kontrollgruppe der nicht mit Genmais gefütterten Ratten untersucht.
Bei derart kleinen Stichproben können Unterschiede in der Krebsmortalität sehr leicht allein durch Zufall auftreten. Sie sind im Sinne der mathematischen Statistik „nicht signifikant“, also nicht aussagekräftig genug, um auf einen ursächlichen Zusammenhang schließen zu können. Das lässt sich einfach anhand statistischer Tests nachweisen; das kann aber auch jeder daran erkennen, dass die Gruppe von Ratten, welche mit dem höchsten Anteil an Gen-Mais gefüttert wurde, tatsächlich die höchste (!) Überlebensrate hatte.
Eine Analogie kann den Irrtum verdeutlichen: Drei von zehn Bundesbürgern sterben derzeit an Krebs. Greift man beliebig zehn Bundesbürger heraus, sterben aber nur selten genau drei davon an Krebs. Die tatsächliche Zahl der Krebsfälle schwankt zwischen null und zehn. Wenn man wissen möchte, ob der Genuss von Bonbons die Krebssterblichkeit erhöht, aber nur zehn Bürger untersucht, die keine Bonbons essen, dann kann es leicht sein, dass von diesen zehn nur zwei an Krebs sterben. Daraus kann man aber nicht schließen, dass der Verzehr von Bonbons die Sterblichkeit um 50 Prozent (von zwei auf drei) erhöht. Genau dieser Fehler wurde aber bei der Gen-Mais-Studie gemacht.
Zur Aktion „Unstatistik des Monats“
Gemeinsam mit dem Bochumer Ökonomen Thomas Bauer (RWI für Wirtschaftsforschung) und dem Dortmunder Statistiker Walter Krämer (TU Dortmund) hat der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, im Jahr 2012 die Aktion „Unstatistik des Monats“ ins Leben gerufen. Ziel der Maßnahme ist es, monatlich sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen zu hinterfragen. Die Aktion will so dazu beitragen, mit statistischen Daten vernünftig umzugehen, in Zahlen gefasste Abbilder der Wirklichkeit korrekt zu deuten und eine immer komplexere Welt und Umwelt sinnvoll und allgemein verständlich zu beschreiben.