Unstatistik des Monats: Dick macht doof und depressiv

31. August 2012

Als Unstatistik des Monats August deklarieren die Urheber der gleichnamigen Aktion Meldungen in deutschen Medien, die ursächliche Zusammenhänge von Essgewohnheiten, Depressionen, Intelligenz, Körpergewicht und Schulbesuch suggerieren.

So meldete die „Apotheken-Umschau“ Anfang des Monats, der übermäßige Konsum von Fast Food löse Depressionen aus. Dabei fasste sie eine spanische Studie zusammen, die zwischen dem Verzehr von Industriebackwaren und Fast Food auf der einen und der Häufigkeit von Depressionen auf der anderen Seite einen positiven Zusammenhang festgestellt hatte. Besonders gefährdet seien Singles, die mehr als 45 Stunden die Woche arbeiteten, ansonsten aber wenig aktiv seien und sich insgesamt ungesund ernährten.

Einige Tageszeitungen ergänzten das Ende des Monats mit Meldungen wie „Dick macht dumm“ (Focus online), basierend wiederum auf einer Beobachtungsstudie, die einen negativen Zusammenhang zwischen Übergewicht und den Ergebnissen von Intelligenztests aufzeigt. Und dick wiederum werde man unter anderem durch die Schule, wenn man anderen Zeitungsmeldungen des Monats August glauben darf: „Schule macht dick“. Hintergrund war diesmal eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Mainz, derzufolge Kinder gerade in dem Alter, in dem sie üblicherweise eingeschult werden, besonders an Gewicht zulegten.

In all diesen Meldungen wird, wie so oft, der Trugschluss von Korrelation auf Kausalität gemacht oder dieser in den von den Zeitungen gewählten Überschriften zumindest suggeriert. Während eine Korrelation lediglich eine Beziehung zwischen Merkmalen beschreibt, handelt es sich bei der Kausalität um einen ursächlichen Zusammenhang, also Ursache und Wirkung. Dieser Fehler wurde in der „Unstatistik des Monats“ bereits in der Vergangenheit thematisiert.

So ist es beispielsweise bei Fast Food mindestens ebenso plausibel, dass Depressionen zu Essstörungen führten und damit die Kausalität in die umgekehrte Richtung verläuft. Ganz allgemein können aus Beobachtungsstudien, die all diesen Meldungen zugrunde liegen, nur unter erheblichen Zusatzinformationen und häufig sehr unrealistischen Annahmen Schlüsse auf Kausalbeziehungen abgeleitet werden. Darauf wird auch in allen Studien, auf die sich diese Meldungen beziehen, mehr oder weniger deutlich hingewiesen. Aber leider bleiben diese Einschränkungen in den Medienberichten in aller Regel unerwähnt. Jedenfalls müssen nach aktueller Faktenlage keine Eltern fürchten, dass ihre Kinder durch die Schule erst einmal dick und dann auch noch dümmer werden.

Zur Aktion „Unstatistik des Monats“

Gemeinsam mit dem Bochumer Ökonomen Thomas Bauer (RWI für Wirtschaftsforschung) und dem Dortmunder Statistiker Walter Krämer (TU Dortmund) hat der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, im Jahr 2012 die Aktion „Unstatistik des Monats“ ins Leben gerufen. Ziel der Maßnahme ist es, monatlich sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen zu hinterfragen. Die Aktion will so dazu beitragen, mit statistischen Daten vernünftig umzugehen, in Zahlen gefasste Abbilder der Wirklichkeit korrekt zu deuten und eine immer komplexere Welt und Umwelt sinnvoll und allgemein verständlich zu beschreiben.

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