Neurotransmitter sind auf unterschiedliche Weise an der Alterung des Gedächtnisses beteiligt
Studie untersucht die Rolle von Noradrenalin und Dopamin beim Gedächtnisschwund
Forschenden des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der University of Southern California ist der Nachweis gelungen, dass die Nervenbotenstoffe Noradrenalin und Dopamin unterschiedlich an altersbedingten Gedächtniseinschränkungen beteiligt sind. Ihre Arbeit trägt dazu bei, kognitives Altern mit und ohne Alzheimer-Demenz besser zu verstehen.
Eines der ersten Anzeichen für das mögliche spätere Auftreten einer Alzheimer-Demenz ist die Ansammlung abnormer Tau-Proteine im Gehirn, die sich bereits ab einem Alter von etwa 30 Jahren feststellen lassen. Abnormes Tau bildet sich zunächst in kleinen Kernen (Zellansammlungen) im Hirnstamm, die Nervenbotenstoffe produzieren, unter anderem die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin. Solche Nervenbotenstoffe sorgen für die Stabilisierung synaptischer Veränderungen in gedächtnisrelevanten Hirnarealen und tragen so dazu bei, dass wir Erinnerungen dauerhaft behalten können. Mit zunehmendem Alter breiten sich Tau-Proteine von diesen Hirnkernen auf gedächtnisrelevante Hirnareale aus und die Dopamin- und Noradrenalin-produzierenden Zellen sterben ab. Das führt wiederum zu altersbedingten kognitiven Beeinträchtigungen. Es ist jedoch unklar, ob diese beiden Nervenbotenstoffe bei altersbedingten kognitiven Veränderungen eine unterschiedliche Rolle spielen.
Die Forschenden des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der University of Southern California konnten mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) bei älteren Erwachsenen zeigen, dass Veränderungen in Hirnregionen, die primär Noradrenalin produzieren, mit dem episodischen Gedächtnis zusammenhingen. Das bedeutet, dass sie Einfluss auf die Fähigkeit haben, sich Ereignisse zu merken und sich über längere Zeiträume an sie zu erinnern. Hingegen waren Veränderungen in Regionen, in denen vor allem der Botenstoff Dopamin gebildet wird, mit dem Arbeitsgedächtnis verknüpft, das heißt, mit der Fähigkeit, Informationen über kürzere Zeit zu bearbeiten und zu behalten. Die Ergebnisse dieser Studie sind jüngst in der Fachzeitschrift Nature Aging veröffentlicht worden.
„Das Ziel unserer Studie bestand darin, das Wissen über die jeweilige Rolle der dopaminergen und noradrenergen Hirnkerne bei Gedächtnisverlusten im höheren Lebensalter zu erweitern, da diese Regionen entscheidend an der Entwicklung der Alzheimer-Demenz beteiligt sind“, sagt Studienleiter Martin Dahl. Er widmet sich mit seiner Arbeitsgruppe am Forschungsbereich Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung der Erforschung des sogenannten blauen Kerns (Locus coeruleus) – einer kleinen Zellgruppe tief im Gehirn, die an der Bildung dieser Botenstoffe beteiligt ist (siehe Interview).
Die Forschenden griffen auf Daten der Berliner Altersstudie II (BASE-II) zurück – einer laufenden Längsschnittstudie, die die neuronalen, kognitiven, physischen und sozialen Bedingungen des erfolgreichen Alterns untersucht. Sie werteten die MRT-Bilder von 69 jüngeren Teilnehmenden im Alter von 25 bis 40 Jahren und 251 älteren Teilnehmenden im Alter von 62 bis 83 Jahren aus. Zusätzlich nutzten die Forschenden die Ergebnisse von Kognitionstests, die zu mehreren Zeitpunkten erhoben wurden und Aussagen über die Entwicklung des Arbeits- und episodischen Gedächtnisses sowie der Intelligenz im Zeitverlauf zulassen.
„In der vorliegenden Studie nutzten wir neue bildgebende Verfahren, um die Rolle der abnehmender dopaminerger und noradrenerger Botenstoffe zur alternden Kognition zu entschlüsseln. Wir haben wiederholt kognitive Leistungen erhoben und hochauflösende MRT-Untersuchungen an großen Stichproben jüngerer und älterer Erwachsener über mehrere Zeitpunkte hinweg durchgeführt“, sagt Co-Autorin Mara Mather, Professorin für Gerontologie, Psychologie und Biomedizinische Technik an der University of Southern California.
Die Forschenden haben kürzlich eine Förderung der BrightFocus-Stiftung für eine Folgestudie erhalten, in welcher sie Veränderungen in diesen Hirnarealen mit blutbasierten Alzheimer-Biomarkern in Verbindung bringen sowie deren Zusammenspiel bei der Entstehung der Alzheimer-Demenz untersuchen.
Ergebnisse in Kürze:
Untersuchung von Gehirnregionen, die bestimmte Botenstoffe produzieren und mit einer möglichen Alzheimer-Entwicklung in Verbindung stehen, mittels Magnetresonanztomografie (MRT)Erfassung altersassoziierter Veränderungen in dopaminergen und noradrenergen Neurotransmittersystemen bei rund 300 Proband*innen der Berliner Altersstudie II (BASE-II) über einen Zeitraum von circa 2 JahrenUnterschiedliche Beteiligung von Nervenbotenstoffen an altersbedingten Gedächtniseinschränkungen
Multimodale MRT-Untersuchungen in Kombination mit Kognitionstests
Erfassung unterschiedlicher kognitiver Leistungen wie Arbeitsgedächtnis, episodisches Gedächtnis, Intelligenz
Originalpublikationen: