Das sind wir: Muna Aikins

17. April 2025

Wie wirkt sich Rassismus in der Kindheit auf die Gesundheit im späteren Leben aus? Dieser Frage geht Muna Aikins von MPRG Biosocial nach. Im Interview erklärt sie, wie frühe Rassismuserfahrungen sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit nachhaltig beeinflussen. Als leitende Wissenschaftlerin des Forschungsprojekts Afrozensus war sie an der Durchführung der ersten umfassenden Erhebung zu den Erfahrungen Schwarzer Menschen in Deutschland beteiligt.

Eines Deiner Forschungsthemen in der MPFG Biosocial ist, wie Erfahrungen von Rassismus im Kindes- und Jugendalter lebenslange Unterschiede in der psychischen und physischen Gesundheit beeinflussen. Was fasziniert Dich an diesem Thema?  

Muna Aikins: Es ist mir wichtig, die tiefgreifenden und oft übersehenen Auswirkungen von Stressfaktoren wie Rassismus in der frühen Lebensphase auf die langfristige Gesundheit zu untersuchen. Als sozialer Gesundheitsfaktor prägt Rassismus nicht nur individuelle Lebensverläufe, sondern beeinflusst auch maßgeblich, wie ganze Communities den Zugang zu Chancen und Ressourcen erleben. Meine Forschung verbindet die Fachbereiche Psychologie, Biologie, Soziologie und Gesundheitswesen, um zu analysieren, wie sich soziale Ungleichheit im Laufe der Zeit auf die physische und mentale Gesundheit auswirkt. Dadurch können wir eine der zentralen Ursachen für gesundheitliche Ungleichheiten gezielter angehen.

Kannst Du näher darauf eingehen, wie sich Erfahrungen mit Rassismus in der Kindheit und Jugend auf die psychische und physische Gesundheit im Laufe des Lebens eines Menschen auswirken?  

Muna Aikins: Erfahrungen mit Rassismus in der Kindheit und Jugend lösen nachweislich Stressreaktionen im Körper aus, die mit der Zeit chronisch werden können und die psychische und physische Gesundheit belasten. Kurzfristig zeigt sich das bereits zum Beispiel in Angstzuständen, Depressionen und einem verringerten Selbstwertgefühl. Bei andauernder Belastung zeigen sich jedoch auch langfristige Auswirkungen auf biologische Systeme. Hinzu kommt: Rassismus schränkt oft auch den Zugang zu guter Bildung, medizinischer Versorgung oder Jobs ein – und all das verstärkt die gesundheitlichen Folgen zusätzlich. So entstehen langfristig größere soziale und gesundheitliche Ungleichheiten.  

Kannst Du mehr über Deine aktuelle Forschung erzählen?   

Muna Aikins: Ich schließe gerade ein Projekt ab, das Längsschnittdaten einer amerikanischen Kohorte analysiert, um den Zusammenhang zwischen Rassismus, psychischer Gesundheit und beschleunigtem biologischen Altern bei Kindern und Jugendlichen zu untersuchen. Mein abschließendes PhD-Forschungsprojekt in Deutschland untersucht die Lebenserfahrungen Schwarzer Familien, um zu verstehen, wie sich Rassismus auf die Entwicklung und psychische Gesundheit von Kindern auswirkt.

Wie werden die Communities während Deines gesamten Forschungsprozesses einbezogen?  

Muna Aikins: Wir wenden die Prinzipien der Community-Based Participatory Research (CBPR) an, um sicherzustellen, dass die Communities aktive Partner sind und nicht auf Studieninhalte reduziert werden. Dieser Ansatz stellt sicher, dass ihre Erfahrungen und Interessen in der Forschung widerspiegelt werden. Beginnend mit kleineren Studienprojekten, bauen wir Kooperationen mit den Communities auf und üben als wissenschaftliche Institution kritische Reflexionen.  Zu den wichtigsten Praktiken gehören die gemeinsame Gestaltung von Studien, bei denen das Dateneigentum in den Communities bleibt. Außerdem wird ein Zugang zu den Ergebnissen bereitgestellt, die für die Stärkung und Vertretung der Interessen der Communities genutzt werden können.

Du warst Teil des Leitungsteams vom ersten Afrozensus-Forschungsprojekt, der ersten umfassenden Erhebung zu Rassismus und Diskriminierung gegen Schwarze Menschen in Deutschland. Kannst Du Deine Erfahrungen mit uns teilen? Wie beeinflusst dieses Projekt Deinen Ansatz zur Untersuchung von Rassismus und Diskriminierung in Deiner Doktorarbeit? 

Muna Aikins: Die Leitung des Forschungsprojekts Afrozensus war eine transformative Erfahrung. Als erste groß angelegte Befragung von fast 6.000 Schwarzen Menschen, Menschen afrikanischer Herkunft und Menschen der Afrodiaspora in Deutschland dokumentierte sie die Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung gegen Schwarze Menschen in 14 Lebensbereichen, darunter Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsversorgung. Das Projekt verdeutlicht den Wert partizipativer Forschung, indem es die Communities als Hauptakteur*innen der Wissensproduktion positioniert. 

Diese Erfahrungen fließen direkt in meine Doktorarbeit ein, in der ich untersuche, wie Rassismus, insbesondere in der prägenden Kindheit und Jugend, langfristige gesundheitliche Folgen beeinflusst. Der Afrozensus hat mein Engagement für communities-basierte Forschungsmethoden gestärkt und mein Verständnis von strukturellem Rassismus erweitert, welches ich nun sowohl auf der sozialen als auch auf der biologischen Dimension gesundheitlicher Ungleichheit anwende.

Gibt es Schutzfaktoren oder Maßnahmen, die die langfristigen Auswirkungen von Rassismus in der Kindheit abmildern können?  

Muna Aikins: Ein struktureller Wandel ist unerlässlich und es ist von entscheidender Bedeutung, Rassismus auf systemischer Ebene anzugehen und ihn als einen fortlaufenden Prozess, nicht nur als Einzelfall zu betrachten. Unsere Forschung unterstreicht daher die Bedeutung von Communities, einer rassistisch markierten Identität und von dem Umgang mit Rassismus, um die langfristigen Auswirkungen auf Kinder zu mildern. 

Mit welchen Herausforderungen wirst Du bei der Durchführung partizipativer Forschung konfrontiert, insbesondere bei der Behandlung sensibler Themen wie Rassismus?  

Muna Aikins: Eine der größten Herausforderungen besteht darin, Vertrauen aufzubauen und Strukturen und Räume zu schaffen, in denen sich die Teilnehmer*innen sicher und wertgeschätzt fühlen und bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen. Dies erfordert Zeit und eine sorgfältige Gestaltung der Beziehungen. Akademische Einrichtungen und Forschungsrahmen legen oft mehr Wert auf die Wissensproduktion und Forschungsergebnisse als auf die Beziehungsarbeit, die für die Forschung mit Rassismus erfahrenen und ausgegrenzten Communities notwendig ist. Um diese Herausforderungen zu meistern, ist ein Engagement für Ko-Kreation, ethische Reflexivität und die Bereitschaft, institutionelle Normen zu hinterfragen, erforderlich. Es müssen Mechanismen für eine kontinuierliche Auseinandersetzung geschaffen werden, die sicherstellen, dass die Ergebnisse den Communities zugutekommen und die emotionale Arbeit anerkannt wird, die mit dem Teilen von Rassismuserfahrungen verbunden ist.

Wann hast Du festgestellt, dass Du in die Wissenschaft gehen möchtest und was würdest Du Deinem jüngeren Ich zu Beginn der wissenschaftlichen Karriere raten? 

Muna Aikins: Mein Masterstudiengang kombinierte akademische Ansätze mit gemeinschaftsbildenden Basisprojekten. Ich arbeitete an Communities-initiativen, die sich auf das Wissen und die Stärkung der Communities konzentrierten und strukturelle Barrieren abbauten. Diese Erfahrung hat meine Ansicht geprägt, dass Forschung über die Theorie hinausgehen sollte, um praktische Lösungen und soziale Auswirkungen voranzutreiben. Sie hat auch mein Engagement für die Erforschung des Potenzials der Wissenschaft bei der Aufdeckung der zugrunde liegenden Mechanismen sozialer Ungleichheiten gestärkt.  

Ich würde mein jüngeres Ich raten, mit Sorgfalt und Geduld an die Aufgabe heranzugehen, eine Brücke zwischen der Communities und der akademischen Welt zu schlagen. Die Kluft zwischen diesen Welten ist groß - die Balance zu finden zwischen der Dringlichkeit der Bedürfnisse der Communities und dem langsameren Tempo der akademischen Forschung, erfordert eine Navigation durch unterschiedliche Erwartungen, Ziele und Systeme der Wissensproduktion. 

 Was schätzt Du an der Max-Planck-Gemeinschaft?    

Muna Aikins: Ich schätze das kollaborative und intellektuell anregende Umfeld, die starke Betonung der interdisziplinären Forschung und die Freiheit, innovative Ideen zu erforschen. Das Engagement, die Grenzen des Wissens zu erweitern, inspiriert mich. 

Mehr zum Hintergrund finden Sie hier.

Originalpublikation

Aikins, M., Willems, Y., Fraemke, D., Mitchell, C., Goosby, B., & Raffington, L. (2025).
Linked emergence of racial disparities in mental health and epigenetic biological aging across childhood and adolescence. Molecular Psychiatry. Advance online publication.
https://doi.org/10.1038/s41380-025-03010-3

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