„Das sind wir“ – Fragen an Yayouk Willems

13. September 2023

Unser Institut hat über 300 Mitarbeitende. Doch das ist nur eine Zahl. Wer sind die Menschen an unserem Institut? Womit beschäftigen sie sich und was treibt sie an? In unserem Format „Das sind wir“ beantworten Kolleg*innen Fragen zu ihrer Arbeit und ihrer Motivation.

Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2023 haben wir die Reihe "Das sind wir" mit 15 Wissenschaftlerinnen unseres Instituts gestartet. Wir knüpfen daran an und stellen die Wissenschaftlerin Yayouk Willems aus der MPFG Biosozial vor. Im vorigen Artikel von „Das sind wir“ wurde Nour Tawil aus der Lise-Meitner-Gruppe Umweltneurowissenschaften vorgestellt.

Eines Deiner Forschungsthemen in der MPFG Biosozial ist die Auswirkung genetischer Veranlagungen in Kombination mit einem sozial geschichteten Umfeld auf Selbstkontrolle, Substanzkonsum und Gesundheit. Was fasziniert Dich an diesem Thema?  

Individuelle Unterschiede in der kindlichen Entwicklung zu verstehen, fasziniert mich schon lange. Mein Aufwachsen in einer liebevollen und unterstützenden Familie stand zeitweise im Kontrast zu dem von Freunden, deren Familien mit Problemen wie Armut, psychischen Erkrankungen und Gewalt zu kämpfen hatten. Diese Beobachtung erweckte ein tiefes Interesse daran, die verschiedenen Faktoren zu verstehen, die für den späteren Erfolg im Leben von Bedeutung sind.  Während meiner Promotion arbeitete ich am niederländischen Zwillingsregister in Amsterdam, wo ich mich mit der Erforschung des Zusammenspiels von Genen und Umwelt vertraut machte. Ich glaube, dass dies ein wichtiger Schlüsselmechanismus ist, den wir verstehen sollten, wenn wir herausfinden wollen, wie soziale Ungleichheit die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinflusst und diese Ungleichheit über Generationen hinweg reproduziert wird. Mit der Postdoc-Stelle in der Gruppe von Laurel Raffington ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen, denn sie ermöglicht es mir zu untersuchen, wie das soziale Umfeld mit biologischen Prozessen zusammenwirkt, um unterschiedliche Ergebnisse in Bezug auf Bildung, Gesundheit und Wohlbefinden über die gesamte Lebensspanne hinweg zu beeinflussen.

Konntest Du epigenetische Marker nachweisen, die unser biologisches Alter beeinflussen? Wie funktioniert das?  

Vor kurzer Zeit haben Messungen der DNA-Methylierung (DNAm) die Prozesse des biologischen Alterns quantifiziert, die den allmählichen Rückgang der Systemintegrität in allen Geweben und Organen beschreiben, der mit zunehmendem chronologischen Alter auftritt. DNAm ist eine stabile epigenetische Markierung, die die lebenslange Aufrechterhaltung der zellulären Identität und einen dynamischen Entwicklungsprozess unterstützt, der sich mit dem Alter und den Umwelteinflüssen verändert. In unseren jüngsten Forschungsarbeiten konnten wir zeigen, dass Selbstkontrolle die Alterung von Menschen verlangsamen kann, was durch diese Marker gemessen wird. Vor allem bei älteren Teilnehmern zeigen diejenigen mit geringerer Selbstkontrolle eine schnellere Alterung. Unsere Ergebnisse zeigen, wie unser Verhalten uns "unter die Haut" gehen kann und unsere Gesundheit kurz- und langfristig beeinflusst.  In Zukunft werden wir uns besonders auf Kinder konzentrieren. Wir werden untersuchen, wie sich soziale Ungleichheit auswirkt und inwieweit diese bereits in der frühen Kindheit die biologische Alterung beeinflusst. 

Woher nimmst Du Deine Forschungsideen?  

Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit, was etwa 45 Minuten dauert. Ich liebe diese Radtour (vielleicht weil ich Niederländerin bin?).  Das hilft mir, den Kopf freizubekommen und an neue Forschungsansätze zu denken. Aber die meisten meiner Forschungsideen erhalte ich durch den Kontakt mit Menschen, mit meiner Forschungsgruppenleiterin Dr. Laurel Raffington, mit meiner Kollegin Muna Aikins, aber auch im Gespräch mit meinen Freunden, die mir unkonventionelle Fragen stellen, die neue Forschungsideen hervorrufen. 

Wann hast Du Dich entschieden, Wissenschaftlerin zu werden? Wie hast Du dich für dieses Studienfach entschieden?  

Ich hatte eigentlich vor, Therapeutin zu werden! Aber ich bewarb mich um ein Promotionsstipendium, und als ich es erhielt, beschloss ich, stattdessen in die Wissenschaft zu gehen. Die Arbeit mit Jugendlichen hat mich schon immer gereizt. Die Adoleszenz ist eine Zeit, in der die Risikobereitschaft und das Streben nach sozialer Belohnung zunehmen, was sich nachhaltig auf die wirtschaftliche Sicherheit, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Jugendlichen im späteren Leben auswirkt. Ich glaube, dass ein besseres Verständnis dessen, was Jugendliche dazu bringt, verschiedene Lebenswege einzuschlagen, es uns ermöglicht, die Politik auf lange Sicht besser zu informieren.  

Was schätzt Du an der Max-Planck Community?   

Die Atmosphäre, die Einrichtungen, die Menschen, die Netzwerke: Sie sind alle darauf ausgerichtet, dass wir das Beste aus unserer Forschung herausholen können. Ich fühle mich wirklich gesegnet, dass ich die Möglichkeit habe, hier zu arbeiten und einen Beitrag zur Wissenschaft als Ganzes zu leisten. 

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