„Das sind wir“ – Fragen an Elisa Buchberger
Unser Institut hat über 300 Mitarbeitende. Doch das ist nur eine Zahl. Wer sind die Menschen an unserem Institut? Womit beschäftigen sie sich und was treibt sie an? In unserem Format „Das sind wir“ beantworten Kolleg*innen Fragen zu ihrer Arbeit und ihrer Motivation.
Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2023 haben wir die Reihe "Das sind wir" mit 15 Wissenschaftlerinnen unseres Instituts gestartet. Wir knüpfen daran an und stellen die Wissenschaftlerin Elisa Buchberger aus dem Forschungsbereich Entwicklungspsychologie vor. Im vorigen Artikel von „Das sind wir“ wurde Lou Haux aus dem Forschungsbereich Adaptive Rationalität vorgestellt.
Du arbeitest im Forschungsbereich Entwicklungspsychologie und beschäftigst dich unter anderem mit der Gedächtnisentwicklung von Kindern. Was fasziniert Dich besonders an dem Thema?
Die Kindheit ist für mich ein ganz besonders spannender Abschnitt unseres Lebens – vor allem, was die Entwicklung des Gedächtnisses angeht. An die ersten Jahre unseres Lebens erinnern wir uns in der Regel kaum. Trotzdem eignen sich Kinder genau in diesem jungen Alter beeindruckende Mengen an neuem Weltwissen an. Mich interessiert, wie Kinder diese Balance erreichen. Wie ist es möglich, Regelmäßigkeiten in der eigenen Umwelt zu erkennen und neues Wissen aufzubauen, wenn die Erinnerung an die einzelnen Ereignisse noch so instabil ist? Wie entwickelt sich die Fähigkeit spezifische Erinnerungen zu formen über die Kindheit hinweg und welche neuronalen Prozesse sind dafür wichtig? Genau diese Schnittstelle zwischen Veränderungen im Verhalten und entsprechenden Reifungsprozessen auf neuronaler Ebene fasziniert mich.
Kannst Du Deine Ergebnisse kurz zusammenfassen, hat Dich etwas überrascht?
Die Ergebnisse meiner bisherigen Studien zeigen eines ganz deutlich: In der frühen und mittleren Kindheit verändert sich die Fähigkeit Erinnerungen zu formen enorm. Während Kinder im Alter von etwa 4 Jahren noch große Schwierigkeiten damit haben, sich detailgetreu an Erlebtes zu erinnern, sind Kinder mit etwa 8 Jahren darin erstaunlich gut. Gleichzeitig sehen wir in dieser Altersspanne auch, dass Kinder rasant besser darin werden, Regelmäßigkeiten über mehrere Erlebnisse hinweg zu erkennen. Überraschend finde ich dabei, dass sich der Zusammenhang zwischen beidem mit dem Alter verändert. Wenn ältere Kinder sich gut an einzelne Erlebnisse erinnern können, gelingt es ihnen in der Regel auch Gemeinsamkeiten zwischen diesen Erfahrungen in neuen Situationen zu nutzen. Bei jüngeren Kindern scheint das nicht zwingend der Fall zu sein. Selbst wenn sich an einzelne Erlebnisse erinnern, reicht das manchmal eben noch nicht aus, um allgemeine Strukturen zu extrahieren und diese anzuwenden.
Was magst Du besonders an der Arbeit mit Kindern?
Ich finde an meiner Arbeit vor allem die Ehrlichkeit der Kinder erfrischend. Wenn die Gedächtnisspiele, die ich in meinen Studien einsetze, langweilig sind, dann lassen meine kleinen Versuchspersonen mich das sehr schnell wissen. Aber genauso sind Kinder eben auch besonders begeisterungsfähig und neugierig – und auch das zeigen sie ganz deutlich. Diese Herausforderung, meine Studien auch für Kinderaugen spannend zu gestalten, liebe ich sehr. Allgemein ist die Arbeit mit Kindern einfach immer etwas bunter und lauter als vielleicht mit Erwachsenen, aber dadurch wird der Forschungsalltag wirklich nie langweilig.
Du bist eine junge Wissenschaftlerin. Es gibt immer noch sehr viel weniger Frauen und nicht-binäre Personen als Männer, die für eine Karriere in der Wissenschaft als Role Model dienen können. Wer inspiriert dich und warum?
Ich finde es ermutigend, dass das Thema Diversität mittlerweile auch in der Forschung präsenter wird, auch wenn wir hier sicherlich noch einen weiten Weg vor uns haben. Zu sehen, dass auch zunehmend Menschen aus marginalisierten Gruppen mit Ihrer Forschung Anerkennung in der wissenschaftlichen Community finden, ermutigt mich sehr. Ich glaube, dass besonders die Wissenschaft eine Vielfalt an Perspektiven und Erfahrungen braucht, um nicht in alten Mustern und Denkweisen stecken zu bleiben. In meinem Alltag inspiriert mich vor allem auch die Arbeit mit meinen herausragenden Kolleginnen. Zu sehen, wie sie mit ihrer täglichen Arbeit einen bedeutenden Beitrag zu wissenschaftlichen Erkenntnissen liefern, wie sie Hindernisse und strukturelle Ungerechtigkeiten überwinden und sich Tag für Tag im Wissenschaftssystem durchsetzen, beeindruckt.
Was schätzt Du an der Max-Planck Community?
An der Max-Planck Community schätze ich vor allem den Austausch über Arbeitsgruppen und fachliche Hintergründe hinweg. Ich finde es sehr bereichernd, meine eigene Forschung mit Menschen zu diskutieren, die einen ganz anderen theoretischen Hintergrund haben als ich selbst. Oft bringen solche inter-disziplinären Diskussionen ganz neue Perspektiven ein und liefern Denkanstöße für neue wissenschaftliche Fragen oder Herangehensweisen.