Sex – richtig!

Körperpolitik und Gefühlserziehung im Kino des 20. Jahrhunderts.

29. März 2021

Habilitation von Anja Laukötter aus dem Forschungsbereich Geschichte der Gefühle

Anja Laukötter: Sex – richtig! Körperpolitik und Gefühlserziehung im Kino des 20. Jahrhunderts, Göttingen: Wallstein 2021.

Sexualaufklärungsfilme versuchten über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg, Einstellungen und Verhalten der Menschen zu formen. Sie zirkulierten ins europäische Ausland, in die USA und zurück. Ihr visueller und erkenntnistheoretischer Referenzrahmen waren die Wissenschaften der Medizin, Pädagogik und Psychologie, was sich auch in der Zuschauer*innenforschung spiegelte. Im Namen der Gesundheit des Körpers wurden stets Gefühle eingesetzt, doch die emotionale Kultur veränderte sich. Im Ersten Weltkrieg sollte Wissen über Syphilis Angst erzeugen und so Soldaten von ungeschützten Sexualkontakten abhalten. Im Weimarer Kino wurde die Bevölkerung gegen eine „falsche Scham“ mobilisiert. Im Frontkino des Nationalsozialismus wurde die Angst durch ein unbedingtes Vertrauen ersetzt.

Während der Besatzungszeit wurde Verständnis gefordert, gerade für die junge Generation. Diese sollte dann durch „positive Emotionen“ in der DDR zur „sozialistischen Persönlichkeit“ erzogen, in der BRD zur Selbstführung befähigt werden. Die AIDS-Bekämpfung ließ die Gefühle mit dem zu vermittelnden Wissen verschmelzen. So erzählt die Geschichte des Sexualaufklärungsfilms nicht nur von der Konstituierung, sondern auch von der Steuerung einer globalen Mediengesellschaft.

Anja Laukötters Habilitation wurde mit dem Otto-Hintze-Preis der Claudia-und-Michael-Borgolte-Stiftung ausgezeichnet und ist nun als Buch erschienen.

Die Autorin Anja Laukötter ist Senior Researcher am Forschungsbereich Geschichte der Gefühle am MPIB und Co-Leiterin der internationalen ERC-Forschergruppe „The healthy self as body capital“ (Advanced Grant).

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