Längsschnittliche Beobachtungen zeigen, dass die Abnahme der funktionellen Integration und kognitiven Leistungsfähigkeit mit der nachlassenden Variabilität von Hirnsignalen zusammenhängt

15. September 2021

Garrett, D. D., Skowron, A., Wiegert, S., Adolf, J., Dahle, C. L., Lindenberger, U., & Raz, N. (2021). Lost dynamics and the dynamics of loss: Longitudinal compression of brain signal variability is coupled with declines in functional integration and cognitive performance. Cerebral Cortex. Advance online publication. https://doi.org/10.1093/cercor/bhab154

Die Reduktion der Variabilität des im Magnetresonanztomografen gemessenen BOLD-Signals des Gehirns von Moment zu Moment (von englisch „blood oxygenation level dependent signal“, also „vom Blutsauerstoffgehalt abhängiges Signal“, das wiederspiegelt, welche Neuronengruppen aktiv sind) ist immer wieder mit höherem Alter und geringerer kognitiver Leistungsfähigkeit in Zusammenhang gebracht worden. Damit birgt diese Variabilität das Potenzial, als funktioneller Marker für die Alterung des Gehirns zu dienen. Bis jetzt beruhte diese Annahme jedoch ausschließlich auf querschnittlichen Vergleichen von Personen unterschiedlichen Alters. Wir bieten mit einer Stichprobe von 74 gesunden Erwachsenen die erste längsschnittliche Evidenz für den Zusammenhang zwischen individuellen Unterschieden in BOLD-Variabilität, Alter und Leistungsfähigkeit in verschiedenen kognitiven Funktionsbereichen über eine mittlere Zeitspanne von 2,5 Jahren. Wie erwartet wiesen die Personen mit größerem Verlust an BOLD-Variabilität auch eine stärkere Abnahme der Kognition auf. Das fronto-striato-thalamische System stellte sich als wesentliches neuronales Substrat dieser Assoziationen zwischen Veränderungen heraus. Die Erhaltung der Signalvariabilität zwischen Regionen des fronto-striato-thalamischen Systems ging auch mit dem Erhalt der funktionellen Integration über Regionen dieses Systems hinweg einher. Dies legt nahe, dass die längsschnittliche Aufrechterhaltung von “lokalen” Dynamiken die Kommunikation über Regionen hinweg erfordert. Wir betrachten deshalb dieses neuronale System als primäres Untersuchungsziel für zukünftige längsschnittliche Studien zum neuronalen Substrat kognitiven Alterns. In Anbetracht der Tatsache, dass längsschnittliche Assoziationen zwischen Veränderungen des Gehirns und der Kognition bekanntlich schwer zu bestimmen sind, stellt das Vorhandensein einer solchen Assoziation innerhalb einer relativ kurzen Verfolgungszeit eine Stärkung des Versprechens dar, Hirnsignalvariabilität als umsetzbare und experimentell sensitive Sonde zur Untersuchung individueller Unterschiede im menschlichen kognitiven Altern zu betrachten.

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