Neue Videoreihe: Wie digitale Räume die Demokratie stärken können
Expert*innen aus Recht, Ökonomie, Philosophie und Sozialwissenschaften teilen ihre Visionen
Digitale öffentliche Räume spielen eine zunehmend zentrale Rolle für den demokratischen Diskurs. Doch mit der Dominanz globaler Social-Media-Plattformen geraten grundlegende Prinzipien wie Meinungsvielfalt, Transparenz und Teilhabe zunehmend unter Druck. Personalisierte Inhalte, algorithmische Moderation und die wachsende Verbreitung generativer KI-Inhalte werfen dabei drängende Fragen auf: Fördern diese digitalen Räume noch den demokratischen Austausch – oder untergraben sie ihn?

Um dieser Frage nachzugehen, lud die interdisziplinäre Forschungsgruppe humanet3 im März 2025 Expert*innen aus Recht, Ökonomie, Philosophie und Sozialwissenschaften zu einem Workshop ein. Gemeinsam diskutierten sie über den Zustand digitaler Öffentlichkeiten, deren Bedeutung für die Demokratie und über Wege, wie sie zukunftsfähig und demokratisch gestaltet werden können.
Aus diesem Austausch ist eine Videoreihe hervorgegangen, in der ausgewählte Teilnehmende ihre Perspektiven aufzeigen und Impulse für die Weiterentwicklung digitaler Räume setzen. In der ersten Folge kommen Erik Tuchtfeld, Philipp Lorenz-Spreen und Krisstina Rao zu Wort. Sie geben Antwort auf die Frage: Wie sollte ein digitaler öffentlicher Raum gestaltet sein, der die Demokratie stärkt?
Erik Tuchtfeld, Leiter der Forschungsgruppe humanet3 und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, plädiert für eine klare Abkehr von der derzeitigen Vorherrschaft kommerzieller Plattformen. Für ihn ist entscheidend: Wenn digitale Öffentlichkeiten demokratisch relevant sind, müssen auch die dort geltenden Regeln demokratisch legitimiert sein – ein Anspruch, den privatwirtschaftlich organisierte Plattformen aus seiner Sicht nicht erfüllen. Hoffnung sieht Tuchtfeld im sogenannten Fediverse: einem Netzwerk dezentraler, unabhängiger Plattformen, das Nutzer*innen die Möglichkeit gibt, eigene Regeln zu definieren und gemeinschaftliche Werte zu leben. Diese kleineren, nicht-kommerziellen Räume könnten Vielfalt sichtbar machen, echten Dialog ermöglichen und so die Grundlage für ein demokratisches digitales Gemeinwesen schaffen.
Auch Philipp Lorenz-Spreen, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und an der TU Dresden, betont den Reformbedarf digitaler Diskussionsräume. Er fordert, dass diese stärker die tatsächliche gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln müssen – insbesondere die Stimmen marginalisierter Gruppen werden bislang zu wenig gehört. Zudem müsse die Qualität der im digitalen Raum kursierenden Informationen klarer erkennbar und belohnt werden. Noch sei es oft schwer, zwischen journalistischer Recherche, wissenschaftlicher Einschätzung und bloßer Meinung zu unterscheiden – mit weitreichenden Folgen für Orientierung und Vertrauen. Als weiteres zentrales Element nennt Lorenz-Spreen die algorithmitsche Transparenz, aber auch die Transparenz der Quellen.
Krisstina Rao, Research Fellow und Projektmanagerin am UCL Institute for Innovation and Public Purpose (IIPP), rückt in ihrem Beitrag die Bedeutung von Teilhabe in den Mittelpunkt. In einer digitalisierten Gesellschaft müsse es gelingen, alle Menschen – gerade auch bisher unterrepräsentierte Gruppen – an der Gestaltung digitaler Räume zu beteiligen. Demokratische Werte wie Mitsprache, Transparenz und Inklusion müssten zum Kern der digitalen Transformation werden. Dafür brauche es politische Prozesse, die gezielt Rückmeldungen aus der Bevölkerung einholen, etwa durch inklusive öffentliche Konsultationen. Auch nach der Einführung neuer Technologien müsse systematisch Feedback eingeholt werden – um digitale Infrastrukturen kontinuierlich so weiterzuentwickeln, dass sie den Bedürfnissen aller gerecht werden.
Die Videos sind ab sofort online verfügbar, weitere Beiträge aus Wissenschaft und Praxis folgen in den kommenden Wochen.
humanet3 ist eine interdisziplinäre Forschungsinitiative, die den menschenzentrierten digitalen Wandel kritisch begleitet und aktiv mitgestaltet – im Sinne der Europäischen Erklärung zu digitalen Rechten und Grundsätzen für die digitale Dekade. Getragen wird das Projekt von drei Max-Planck-Instituten: dem MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, dem MPI für Innovation und Wettbewerb sowie dem MPI für Bildungsforschung.
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