Simone Kühn leitet den neuen Forschungsbereich Umweltneurowissenschaften
Angesichts von Klimawandel und Umweltveränderungen ist ihre Forschung zunehmend von Relevanz
Simone Kühn ist neue Direktorin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und leitet ab Juli 2024 den Forschungsbereich Umweltneurowissenschaften. Sie setzt damit die Arbeit ihrer Lise-Meitner-Gruppe Umweltneurowissenschaften am Institut fort. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Erforschung der Frage, welche Auswirkungen die Umwelt auf das Individuum und sein Gehirn hat.
Unsere Umgebung beeinflusst unser Wohlbefinden und unsere psychische Gesundheit. Zum Beispiel kann das Leben in der Stadt das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen, während das Leben in der Natur gut für die mentale Gesundheit ist. So reduziert beispielsweise ein einstündiger Spaziergang in der Natur die Aktivität der mit Stress verbundenen Gehirnregion Amygdala (Sudimac, S., Sale, V., & Kühn, S. 2022).
Offen bleibt jedoch, welchen Einfluss was in unserer Umgebung – etwa die Farbe Grün, Luftschadstoffe, Geräusche – auf unsere mentale Gesundheit hat. Auch ist unklar, welche unserer Sinne in diesem Zusammenhang die wichtigste Rolle spielen und welche neuronalen Mechanismen an der Verarbeitung der physischen Umgebung beteiligt sind. Diese Fragen wird Simone Kühn nun im Rahmen des neu gegründeten Forschungsbereichs Umweltneurowissenschaften am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung weiterverfolgen: „Ich möchte das Individuum in seinem Kontext verstehen und herausfinden, was eine gesunde und anregende Umgebung für jeden Einzelnen ausmacht. Darüber wissen wir noch viel zu wenig“, sagt Simone Kühn. „Ich freue mich sehr, dass ich nun mit einem eigenen Forschungsbereich die Möglichkeit erhalte, meine Forschung zu verstetigen“, so die Neurowissenschaftlerin weiter.
Ihre Forschung beschäftigt sich damit, wie verschiedene Umwelten unser Leben zu unterschiedlichen Zeitpunkten und über unterschiedliche Zeiträume hinweg beeinflussen: von den Auswirkungen der langfristigen Lebensumgebung am Wohnort über kurzfristige Ausflüge oder Spaziergänge bis hin zur akuten Reaktion auf bestimmte Umweltreize. Gleichzeitig sollen auch Innenräume und Merkmale der Architektur untersucht werden, da Individuen in unserem Kulturkreis wesentlich mehr Zeit in geschlossenen Räumen verbringen als draußen an der frischen Luft. Und auch extreme Umwelten wie die Antarktis und Gefängnisse sind Forschungsgegenstände.
Zum Einsatz kommen neben bildgebenden Verfahren innovative Methoden, wie die Georeferenzierung. Diese erlaubt eine objektive Charakterisierung, beispielsweise der Wohnumgebung, mithilfe von Landkarten, Satellitenbildern und Standortdaten. So lässt sich feststellen, wie hoch die Baumdichte in einem gewissen Umkreis oder wie hoch die durchschnittliche Luftverschmutzung ist. Auch Virtuelle Realität wird zur Erforschung der Fragestellungen des Forschungsbereichs eingesetzt. Diese Technologie hat mit ihrem immersiven Charakter einen großen Wert für die umweltpsychologische Forschung, da verschiedene Aspekte der Umwelt systematisch variiert werden können.
Simone Kühn plant, zusammen mit dem Forschungsbereich Entwicklungspsychologie am Institut, Längsschnittstudien durchzuführen. So möchte sie herausfinden, ob es im Leben bestimmte Phasen gibt, in denen die physische Umwelt besonders prägend ist. Darüber hinaus wird der Forschungsbereich im Rahmen von Zwillingsstudien untersuchen, wie die Umwelt das Gehirn von genetisch identischen Zwillingen beeinflusst. „Dies ist ein ideales Testfeld, um den Zusammenhang zwischen der physischen Umgebung und der Gehirnstruktur, der Gehirnfunktion und der psychischen Gesundheit zu untersuchen“, erklärt Simone Kühn.
„Wir arbeiten seit Jahren mit Simone Kühn in unterschiedlichsten Projekten zusammen und schätzen ihr Gespür für innovative Fragestellungen sowie ihre wissenschaftliche Exzellenz sehr“, sagt der Geschäftsführende Direktor Ralph Hertwig. „In Anbetracht des Klimawandels und der zunehmenden Veränderung der Lebensräume, ist ein besseres Verständnis der Auswirkungen der physischen Umwelt auf den Menschen dringend erforderlich“, so Hertwig weiter. Die Ergebnisse der Gruppe könnten auch dabei helfen, die Gestaltung der physischen Umwelt, der Stadtplanung und der Architektur zu verbessern, um die mentale Gesundheit der Menschen zu fördern.
Zur Person
Simone Kühn studierte Psychologie an der Universität Potsdam. Sie ist der Max-Planck-Gesellschaft seit Jahren verbunden. Die Neurowissenschaftlerin war bereits Doktorandin am Max-Planck-Institut für Neuro- und Kognitionswissenschaften in Leipzig. Nach Postdoc-Stationen an der Ghent University in Belgien, dem University College in London und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, leitete sie von 2012 bis 2016 die Gruppe „Plastizitätsmechanismen und -progression“ am Forschungsbereich Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Danach trat sie eine Heisenberg-Professur am Universitätsklinikum Hamburg‐Eppendorf (UKE) an. 2019 kehrte sie als Leiterin der Lise-Meitner-Gruppe Umweltneurowissenschaften ans Max-Planck-Institut für Bildungsforschung zurück. Seit Juli 2024 ist sie Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
Weitere Informationen zum Forschungsbereich Umweltneurowissenschaften finden Sie auf der MPIB-Webseite.
Originalpublikation