„Das sind wir“ - Fragen an Lisa Oswald
Unser Institut hat über 300 Mitarbeitende. Doch das ist nur eine Zahl. Wer sind die Menschen an unserem Institut? Womit beschäftigen sie sich und was treibt sie an? In unserem Format „Das sind wir“ beantworten Kolleg*innen Fragen zu ihrer Arbeit und ihrer Motivation.
Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2023 haben wir die Reihe "Das sind wir" gestartet. Mittlerweile haben wir 12 Wissenschaftler*innen porträtiert. Wir knüpfen daran an und stellen die Wissenschaftlerin Lisa Oswald aus dem Forschungsbereich Adaptive Rationalistät vor. Im vorigen Artikel unserer Reihe haben wir Sarah Power aus dem Forschungsbereich Entwicklungspsychologie vorgestellt.
Du beschäftigst Dich im Forschungsbereich Adaptive Rationalität unter anderem mit der Frage, wie Menschen das Internet besonders in Hinblick auf ihre politischen Interessen nutzen. Was fasziniert Dich an dem Thema?
Digitale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das Internet eröffnet uns Zugang zu einer nie dagewesenen Breite an Informationen und große Teile zwischenmenschlicher Kommunikation werden mittlerweile über digitale Medien vermittelt. Diese Entwicklung gilt auch für den politischen Kontext: Sowohl der Nachrichtenkonsum als auch der öffentliche Diskurs über politische Themen werden zunehmend digitalisiert – mit komplexen Implikationen auf Diskursdynamiken und die Gesellschaft als Ganzes. Nun sehen wir in den letzten Jahren über viele etablierte Demokratien hinweg vermehrt problematische Entwicklungen, wie das Erstarken von Populismus und Rechtsextremismus. Da stellt sich die Frage, was ist die Rolle digitaler Medien in dieser Entwicklung, was sind die darunter liegenden psychologischen Mechanismen und kann man daraus Ansatzpunkte für Interventionen ableiten? Da man aber weder ein komplexes Mediensystem noch ein politisches System im Labor simulieren kann, sind das wirklich schwierige Fragen, die man nur mit einer Kombination verschiedener empirischer Methoden und, im besten Fall, interdisziplinär beantworten kann. Zum Beispiel planen wir gerade eine große Feld- und Interaktionsstudie, bei der wir Menschen politische Themen unter verschiedenen experimentell kontrollierten Bedingungen in großen Online-Foren diskutieren lassen. Dazu kombinieren wir Methoden aus der Psychologie, Politikwissenschaft und Computational Social Science.
Besonders Plattformen wie Facebook, Instagram aber auch TikTok werden zur Verbreitung von politischen Themen genutzt. Doch wie lassen sich vertrauenswürdige Quellen erkennen? Gibt es die Möglichkeit Polarisierungen zu umgehen?
Zu dieser Frage planen wir gerade eine Studie in Deutschland, bei der wir verschiedene Strategien gegeneinander testen werden. Bisherige Forschung zeigt, dass es vermutlich besser ist, sich auf Quellen, anstatt auf die Information an sich zu fokussieren. Gibt man eine irreführende politische Behauptung in eine Suchmaschine ein, werden tendenziell ähnlich irreführende Inhalte vorgeschlagen, was den Glauben an die falsche Behauptung verstärken kann. Sucht man dagegen nach Informationen über die Quelle der Behauptung, wird diese meist schnell entlarvt. Diese Technik nennt sich „laterales Lesen“. Quellen sind außerdem innerhalb der Medienlandschaft stabiler als Informationen, sodass es sich nachhaltig lohnen kann, die Vertrauenswürdigkeit von Quellen zu recherchieren und dann immer wieder auf diese zurückzugreifen. Trotzdem setzen alle diese Techniken Motivation voraus, sich anhand etablierter Fakten zu informieren.
Beeinflussen Deine wissenschaftlichen Erkenntnisse Deinen privaten Umgang mit sozialen Medien?
Ich denke schon. Ich versuche meine Nutzungsdauer sozialer Medien allgemein im Rahmen zu halten, nutze dabei einige „Self-Nuding“-Techniken. Dazu forscht meine meine Kollegin Anastasia Kozyreva. Außerdem beziehe ich politische Informationen eigentlich nicht aus sozialen Medien, sondern habe andere Routinen, wie ich mich über journalistische Medien mit aktuellen Nachrichten versorge (z.B. journalistische Podcasts und ein Online-Abonnement einer großen Zeitung). Das heißt, ich fokussiere mich auf bekannte, vertrauenswürdige Quellen und versuche mehr in die Tiefe, als in die Breite zu gehen. Trotzdem nutze ich gerne den Komfort meines Smartphones und scrolle mich durch die App der abonnierten Zeitung, ähnlich wie durch einen Social-Media-Feed.
Warum hast Du Dich für das Studienfach Psychologie entschieden und wie hat sich daraus Dein heutiger Schwerpunkt Politikwissenschaft entwickelt?
Ich habe mich schon immer für das Erleben und Verhalten von Menschen interessiert. Das Studienfach für meinen Bachelor und Master war also schnell und klar gewählt. Im Laufe des Studiums habe ich mein Interesse für Statistik und Forschungsmethoden entwickelt und mich gefragt, inwiefern man die Daten, die wir im Internet hinterlassen, dafür nutzen kann, psychologische Forschungsfragen zu beantworten. Deshalb absolvierte ich einen zweiten Master am Oxford Internet Institute im Bereich Social Data Science. Während dieses Masters erweiterte ich einerseits meine Programmierfähigkeiten, arbeitete aber auch immer mehr mit Politikwissenschaftler*innen zusammen und realisierte, dass viele meiner Forschungsfragen an der Schnittstelle dieser Fächer lagen. Ich habe mich immer besonders für kollektive Phänomene interessiert und den sozialen bzw. gesellschaftlichen Kontext von Menschen in den Blick genommen. Außerdem haben mich sicherlich auch immer Fragen motiviert, wie die Psychologie helfen könnte, komplexe gesellschaftliche Probleme besser zu verstehen. Ich denke, Psychologie und Politikwissenschaft sind Fachbereiche mit komplementären Stärken und Schwächen, konzeptuell sowie methodisch, die dringend mehr miteinander interagieren sollten.
Was schätzt Du an der Max-Planck-Community?
Es ist hier tatsächlich möglich interdisziplinär zu arbeiten und die Forschungsbedingungen sind ausgezeichnet. Meine Kolleg*innen haben zum Teil sehr unterschiedliche Hintergründe und Forschungsschwerpunkte, aber spezifische Expertise wird großzügig geteilt, es wird enthusiastisch und methodisch rigoros gearbeitet und das Klima ist allgemein sehr gut. Ich komme jeden Tag gerne zur Arbeit.