„Das sind wir“ – Fragen an Nour Tawil

3. August 2023

Unser Institut hat über 300 Mitarbeitende. Doch das ist nur eine Zahl. Wer sind die Menschen an unserem Institut? Womit beschäftigen sie sich und was treibt sie an? In unserem Format „Das sind wir“ beantworten Kolleg*innen Fragen zu ihrer Arbeit und ihrer Motivation.

Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2023 haben wir die Reihe "Das sind wir" mit 15 Wissenschaftlerinnen unseres Instituts gestartet. Wir knüpfen daran an und stellen die Wissenschaftlerin Nour Tawil aus der Lise-Meitner-Gruppe Umweltneurowissenschaften vor. Im vorigen Artikel von „Das sind wir“ wurde Elisa Buchberger aus dem Forschungsbereich Entwicklungspsychologie vorgestellt.

 

Eines Deiner Forschungsthemen bei der Lise-Meitner-Gruppe Umweltneurowissenschaften sind die Auswirkungen von Architektur auf das menschliche Gehirn mit dem Schwerpunkt auf Wohnumgebungen. Was fasziniert Dich an diesem Thema?  

Aufgrund meines Hintergrunds in Architektur und fast zwei Jahrzehnten Berufspraxis war ich schon immer fasziniert von den Auswirkungen, die die Räume, die wir bewohnen, auf uns haben können. Es ist für mich spannend zu untersuchen, welchen Einfluss unsere Lebensumgebungen auf unser Gehirn und unser Verhalten haben, insbesondere in der heutigen Welt, in der wir die meiste Zeit in und um Gebäude herum verbringen. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Verständnis der psychologischen und neuronalen Mechanismen, die hinter diesen Effekten stehen, durch diese können evidenzbasierte Strategien ermöglicht werden, um Lebensräume so zu optimieren, dass sie die Kognition verbessern, die geistige Gesundheit und das Wohlbefinden fördern und ein gesünderes Leben unterstützen.    

 

In Deiner Doktorarbeit untersuchst Du derzeit den Einfluss verschiedener Konturen auf Emotionen und Verhalten. Welche Ergebnisse erwartest Du? Kannst Du ein Beispiel dafür geben, was uns im täglichen Leben beeinflusst?   

Der Einfluss von Konturen auf unsere Emotionen und unser Verhalten ist extrem spannend. Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass geschwungene Formen im Allgemeinen eckigen Formen vorgezogen werden. In unserer Forschung haben wir ähnliche Effekte in der Architektur und Innendesign festgestellt. So haben wir beispielsweise in einem Experiment beobachtet, dass Menschen Innenräume mit geschwungenen Elementen bevorzugen und sie als entspannender im Vergleich zu eckigen Designs empfinden. Wir haben auch einen Zusammenhang zwischen Konturen und Annäherungs-/Vermeidungsverhalten festgestellt: Krümmung wird mit Annäherung und Winkel mit Vermeidung assoziiert. Letztendlich kann uns das Verständnis dieser Einflüsse dabei helfen, alltägliche Räume zu schaffen, die positive emotionale Zustände hervorrufen.

 

Vor welchen Herausforderungen stehst Du als Wissenschaftlerin?   

Als Wissenschaftlerin, die aus der Industrie kommt, muss ich mich gewissen Herausforderungen stellen. Eine davon ist die Anpassung an das unterschiedliche Tempo und die Prioritäten der akademischen Forschung, die im Vergleich zu Industrieprojekten oft längere Zeiträume umfasst. Eine weitere Herausforderung ist der Übergang von einer eher angewandten und praktischen Denkweise zu einem forschungsorientierten Ansatz, der eine stärkere Konzentration auf Theorie und Methodik erfordert. Darüber hinaus kann der Erwerb der erforderlichen akademischen Forschungsfähigkeiten und -techniken mit einer Lernkurve verbunden sein. Trotz dieser Herausforderungen bringt meine Erfahrung in der Industrie wertvolle Perspektiven im Projektmanagement sowie Problemlösungsfähigkeiten mit sich, die zu innovativen und praktischen Forschungsergebnissen beitragen können.   

 

Was schätzt Du an der Max-Planck Community?   

Die Max-Planck Community bietet ein bemerkenswertes Umfeld für wissenschaftliche Bestrebungen. Ein Aspekt, den ich besonders schätze, ist die Kultur der interdisziplinären Zusammenarbeit. Es ist unglaublich, wie Forscher aus der ganzen Welt zusammenkommen, Perspektiven austauschen und an innovativen Lösungen für komplexe wissenschaftliche Herausforderungen arbeiten. Die Gemeinschaft bietet auch ein unterstützendes Forschungsumfeld, das wissenschaftliche Unabhängigkeit, Kreativität und langfristige Projekte fördert. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung, die solide Betreuung durch Mentoren und der Zugang zu einem umfangreichen Expertennetzwerk von unschätzbarem Wert. Die Zugehörigkeit zu dieser inspirierenden und lohnenden wissenschaftlichen Gemeinschaft ermöglicht ein kontinuierliches Lernen und berufliche Weiterentwicklung. 

 

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