Neue Studie: Ärzte verstehen Statistiken zur Krebsfrüherkennung nicht

Patienten sind die Leidtragenden, wenn wirkungslose, aber unter Umständen schädliche Verfahren empfohlen werden

9. März 2012

Nachdem der Diskussionsbedarf über Nutzen und Schaden von Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen in den letzten Jahren zugenommen hat, brauchen Patienten heute mehr denn je Ärzte, von denen sie sich hierzu kompetent beraten lassen können. Eine nun veröffentlichte Studie des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung an über 400 US-amerikanischen Allgemeinärzten zeigt jedoch, dass die Mehrzahl der Ärzte diesbezüglich relevante von irrelevanten – und sogar fehlleitenden – Informationen nicht unterscheiden kann.

Obwohl höhere Überlebensraten und eine höhere Anzahl an durch Früherkennung entdeckten Tumoren (gestiegene Inzidenz) nicht beweisen, dass die Früherkennung wirklich Leben rettet, werden diese Statistiken häufig verwendet, um für die Untersuchung zu werben. Dies nicht ohne Grund: Wie die Autoren der jetzt in Annals of Internal Medicine erschienenen Studie aufdecken, glaubt ein Großteil der befragten Ärzte, dass höhere Überlebensraten und eine gestiegene Inzidenz ein Beweis dafür seien, dass durch die Früherkennung die Krebssterblichkeit gesenkt werden könne. 69% der befragten Ärzte empfahlen deshalb eine Früherkennung, die mit diesen irrelevanten Daten beworben wurde. Im Gegensatz dazu ließen sich aber nur 23% der Ärzte von dieser Früherkennung überzeugen, wenn sie mit relevanten Daten, nämlich der meist viel geringer ausfallenden Reduktion der Sterblichkeitsrate, beschrieben wurde.

Warum ist eine gestiegene Überlebensrate nicht gleichbedeutend mit einer gesunkenen Sterblichkeitsrate?

Man stelle sich eine Gruppe von Männern vor, die im Alter von 67 Jahren auf Grund von Symptomen Prostatakrebs diagnostiziert bekommen und drei Jahre später daran sterben. Die Fünfjahres-Überlebensrate beträgt dann 0%. Nimmt man nun an, diese Männer wären zur Früherkennung gegangen und ihre Krankheit wäre dadurch deutlich früher, beispielsweise bereits mit 60 Jahren, entdeckt worden, und wieder würden alle im Alter von 70 Jahren sterben, so erhöht sich die Fünfjahres-Überlebensrate von 0% auf 100%. Dies jedoch, ohne dass tatsächlich ein einziges Leben gerettet wird. Über drei Viertel der befragten Ärzte war dieser Zusammenhang jedoch nicht bewusst.

Was ist das Risiko einer gestiegenen Inzidenz, und warum ist sie nicht gleichbedeutend mit einer gesunkenen Sterblichkeitsrate?

Beinahe die Hälfte der Ärzte saßen einem weiteren Irrglauben auf: dass eine höhere Anzahl an durch Früherkennung entdeckten Tumoren zeige, dieses würde Leben retten. Doch kann es beispielsweise bei langsam wachsenden Prostatatumoren, die so entdeckt werden, aber die betroffenen Personen gesundheitlich nie beeinträchtigt hätten, zu Überbehandlung kommen. Die Behandlung ist für solche Patienten dann ohne Nutzen (keine Leben werden gerettet), während sie jedoch zusätzlich dem Risiko von Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz ausgesetzt werden.

Vor dem Hintergrund, dass Früherkennungsuntersuchungen häufig mit genau diesen Daten angepriesen werden und Patienten geraten wird, ihre Entscheidung mit ihrem Arzt zu diskutieren, sind die Ergebnisse dieser Studie höchst brisant.

Für die Studie wurden in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 412 US-amerikanische Allgemeinärzte befragt.

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