Unstatistik des Monats: Digitaler Scheinenthusiasmus

29. März 2019

Die Unstatistik des Monats ist eine im März publizierte Studie der Firma Duden Learnattack, nach der sich deutsche Lehrer*innen und Schüler*innen mehr digital geprägten Unterricht wünschen. Neun von zehn Lehrer*innen hätten demnach gerne digitale Technologien zur Unterstützung des Unterrichts, 83 % wünschen, dass ihren Schüler*innen Online-Material zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts zur Verfügung steht, und 87 % erwarten von der Digitalisierung ganz generell große Chancen für ein nachhaltiges und erfolgreiches Lernen.

Diese Zahlen sind Hochrechnungen aus einer Online-Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov unter 1.111 Schülern und Schülerinnen, Lehrern und Lehrerinnen sowie Eltern von Schulkindern, durchgeführt im Januar und Februar. Diese Stichprobe ist aber nicht repräsentativ. Vielmehr zieht YouGov seine Stichprobe zufällig aus einem Pool internet-affiner Zeitgenossen – Menschen mit Rechnerallergien kommen darin nicht vor. Damit sind aber daraus abgeleitete Schlüsse auf die Grundgesamtheit aller Lehrer und Lehrerinnen und Schüler und Schülerinnen in Deutschland der gleiche Unfug, als würde man aus einer Stichprobe von Gottesdienstbesuchern im Kölner Dom auf die Religionszugehörigkeit aller Bundesbürger schließen.

Dergleichen Online-Umfragen sind preiswert und werden unter anderem auch deshalb in der Politikberatung immer beliebter – ungeachtet einer oft mangelnden Repräsentativität. So ist nach einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom Oktober 2018 das Ausmaß von Plattformarbeit in Deutschland (das sog. Crowdworking) sehr viel höher als erwartet: Rund 5 % der deutschen Erwachsenen wären auf Plattformen aktiv, 70 % davon würden ein Erwerbseinkommen erzielen. Grundlage ist eine Online-Stichprobe der Firma Civey, die auf einer Vielzahl von Internetseiten sogenannte „Widgets“ schaltet, auf die man klicken kann, um an der Umfrage teilzunehmen. Damit werden an dieser Umfrage überproportional viele „Crowdworker“ teilgenommen haben, und das vom BMAS kommunizierte Ausmaß von „Crowdworking“ ist vollkommen bedeutungslos.

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