Neuronale Variabilität bildet Verschiebungen der Entscheidungstendenz ab

27. Oktober 2020

Kloosterman, N. A., Kosciessa, J. Q., Lindenberger, U., Fahrenfort, J. J., & Garrett, D. D. (2020). Boosts in brain signal variability track liberal shifts in decision bias. eLife, 9, Article e54201. https://doi.org/10.7554/eLife.54201

Die Annahme bestimmter Entscheidungstendenzen („Biases“) erlaubt es Organismen, ihre Entscheidungen an momentane Umweltanforderungen anzupassen. Beispielsweise zahlt sich eine liberale Antwortstrategie aus, wenn insbesondere die Erkennung eines Stimulus zielführend ist, während eine konservative Strategie in Situationen optimal ist, in denen die Vermeidung von Fehlern die höchste Relevanz trägt. Unter Anwendung einer konventionellen Zeit-Frequenz-Analyse menschlicher elektroenzephalographischer (EEG) Aktivität konnten wir bereits zeigen, dass die Einstellung eines gezielten Bias mit einer Änderung der Evidenzansammlung in sensorischen Hirnregionen einhergeht (Kloosterman et al., 2019). Die erwartete präfrontale Signatur einer Verschiebung von konservativem zu liberalem Bias blieb jedoch bisher verborgen. Hier zeigen wir anhand einer neuartigen Berechnung neuronaler Entropie, dass eine liberale Biasverschiebung die Aufnahme eines weniger eingeschränkten neuronalen Regimes in frontalen Hirnregionen reflektiert, was funktionell die Erkennung von unvorhersehbaren Ereignissen unterstützen könnte. Traditionelle Maße wie die allgemeine EEG-Variation, spektrale Power und ereigniskorrelierte Potentiale konnten diese Assoziation nicht erklären. Damit wird deutlich, dass lediglich neuronale Variabilität von Moment zu Moment Biasverschiebungen widerspiegelt. Die Modulation der neuronalen Variabilität über den präfrontalen Kortex scheint für die Anpassung der Entscheidungstendenzen eines Organismus an Umweltanforderungen wesentlich zu sein.

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